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Hochgesangs Wandlungen des Dichtstils - Leben und Werk des ...

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104 Die SPrache<br />

Weil er mich hemmt. Verbirg diclr, Sternenlicht!<br />

Schau' meine schwarzen, tiefen Wünsche nicht!<br />

Sieh, Auge, nicht die Hand; doch Iaß geschehen,<br />

Was, wenn's geschah, das Auge scheut zu sehen'<br />

Wcnn Schiller alles faßt in rvesenhafter Otiederung, für<br />

den romantischen Menschen gibt es nur eine <strong>und</strong> unendliche<br />

Substanz. Nur als Farbe, als Fornt, kurz als Erscheinung<br />

sind die Dinge unterschieden. Nicht auf dem ,,Was" liegt<br />

nunnrehr der Ton, sondern auf dem ,,Wie"; wie sie sind,<br />

rvie sie vergehen <strong>und</strong> sich verwandeln' Ich habe bei Schiller<br />

gezeigt, wie er im Gegensatz zu Shakespeare nicht die indiuiOr.tte<br />

Farbe eines Vorgangs, eincr Erscheinung zeichnet,<br />

vielmehr in seinen Prädikaten alles einzelne unter ein Allgemeines<br />

<strong>und</strong> Ewiges unterordnet. Ganz anders die Sprache<br />

äer Tieck. Sie bringt die bewegten <strong>und</strong> farbigen Lichter zu<br />

neuer Geltung:<br />

Sch. I/VItl. Verhüllet, Sterrte, euer himmlisch Licht,<br />

Damit kein Tag in meinen Busen falle'<br />

'l'.<br />

Verbirg dich, Sternenlicht!<br />

Schau' tneinc schw atzen, tief en Wüttsche<br />

nicht !<br />

Sch. Ill/ll. So wünsch iclt euren Pferdcn Schnelligkeit<br />

Und sichre Füße!<br />

T. lll/1. Den Rossen wünsch ich schnellen, sichern<br />

Lauf*),<br />

Sch. lll/V.<br />

Doch keinem gab<br />

Natur das Vorrecht der Unsterblichkeit'<br />

T. Ill/ll. Doch schuf Natur sie nicht f ür ew'ge Dauer'<br />

Sch. III/VIII. Der Anstoß währt nur einen Augenblick'<br />

T. III/IV. Schnell geht der Anfall über.<br />

Sch. IV1l.<br />

Dorothea Tieck<br />

l0S<br />

Wtirgt' er nicht sogleich<br />

In heilger Wut die beiden Täter, die<br />

Von Wein <strong>und</strong> Schlunmer überwältigt lagen.<br />

T. III/VI. Erschlug er nicht<br />

In frommer Wuth die beiden<br />

Thäter gleich,<br />

Die weinbetäubt <strong>und</strong> schlafversunken<br />

waren ?<br />

Auf den Adjektiven <strong>und</strong> Adverbien, also den Worten<br />

der Farbe <strong>und</strong> <strong>des</strong> sich verwandehrden Schimntcrs, liegt<br />

iiberall der Ton bei Tieck, nicht ntehr auf dem Substantiv,<br />

dcm Worte der Substanz <strong>und</strong> Beharrung. Die Beispielc<br />

ließen sich ins Ungemessene vermehren. Aus dcr Fülle<br />

ntöchte ich nur eines rroch herausgreifen:<br />

Sch. I/XII. Dies Schloß hat eine anqenehme Lasc.<br />

Leicht <strong>und</strong> crquicklich atnet sich die Luft,<br />

Und ihre l\{ilde schmeichelt unsern Sinnen.<br />

1'. rivr. Dies Schloß hat eine angenehrne Lage;<br />

Gastlich umfängt dic lichte, mildc Lrrft<br />

Die heitern Sinne*).<br />

Der Ronrantiker wandelt unendlich offen vorr Ernpfindung<br />

zu Empfindung. (Man beachte im letzten gegebenerr<br />

Beispiel, rvie sich die Enrpfindungen jagen <strong>und</strong> verschlingen.)<br />

Schiller kennt solche unerrdlichc öffnung uncl Hingabe<br />

nicht. Atnrend unrfaßt er die Welt <strong>und</strong> gibt sie gewertet uncl<br />

geformt wieder sich selbst zurück.<br />

Es war klassische Cestaltungskraft, rvelche die Gesetzhaftigkeit<br />

menschlichen Denkens aus rationalistischer Abstraktheit<br />

löste, urn sie, in Fleisch <strong>und</strong> <strong>Leben</strong> gehrillt, bitdhaft<br />

gegenwärtig in den geistigen Raunr zu stellen. Das<br />

Gesetz u'ar damit auch zurückversetzt in die Zeit <strong>und</strong><br />

ihren Wandel. Freilich, noch galt alles, was in der Zeit<br />

sich offenbarte, nur als zeitliche Verkörperung einer zeitlosen<br />

Gültigkeit. Die Romantik erst führt den begonnenerr<br />

G.A. Bürger-Archiv<br />

G.A. Bürger-Archiv

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