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Hochgesangs Wandlungen des Dichtstils - Leben und Werk des ...

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144 Rhythmtts Rhvthmus<br />

Rei Schiller ist der Rhythmus nicht solche getriebene,<br />

durch alle individuellen Brechungen nur steigemngsfähige<br />

Tiefenbewegung. Er besitzt nicht das Dämonische, das<br />

Schicksalhafte, das aus den J'iefen <strong>des</strong> <strong>Leben</strong>s unerschöpflich<br />

Fliellende, um so alle Widerstände sieghaft zu überclauern.<br />

Er ist die Verwirklichung eines ewigen Maßes aus<br />

freiem, sittlichem Willen. Ist der Rhythmus einntal gebrochen,<br />

so bleibt er gebrochen, bis Kräfte kornnren, von<br />

außen, von gestaltender Hand, dem Stoff das Maß von neuem<br />

aufzuzwingen. Er ist nicht <strong>Leben</strong>, unt sich aus eigener<br />

Kraft zu enleuern, er ist Fornr, oder vielnrehr, da auch<br />

Shakespeares Rhythmus zugleich Fornr ist, er ist nicht Forrn<br />

<strong>des</strong> Schicksals, das alles <strong>Leben</strong> unentrinnbar in seinenAtem<br />

zwingt, nicht Form der untergründigen Natur in ihrenr<br />

runendlichen Gange, er ist die Forrri cles freischaffenden, zeit-<br />

Stufenbau seiner Berichte. Die gegliederte, ruhende Form<br />

seiner Kunst müßte in allen Fugen krachen <strong>und</strong> zerbrechen'<br />

,,So sehen wir, daß Schiller in voller Benutzung aller<br />

Freiheiten den Versbau handhabt, daß seinen Jamben<br />

manch charakteristische Rauheiten anhaften, die er erst<br />

in späteren <strong>Werk</strong>en, nicht immer zum Votteil, mehr <strong>und</strong><br />

mehr abstreifte." lch möchte in diesent Zusamntenhang<br />

nicht untersuchen. wie diese Rauheiten, die A. KÖstert)<br />

hier in Schillers Macbeth-Bearbeitung feststellt' in den<br />

Entwicklungsgang der Metrik Schillers im einzelnen sich<br />

einreihen. Bedeutsam dagegen erscheint mir eine andere<br />

Frage: Bringen diese Unebenheiten <strong>des</strong> Schillerschen Verses<br />

diesen in irgendwelche verwandtschaftliche Beziehung zu<br />

demjenigen Shakespeares, der ja für solcire Freiheiten Vorbild<br />

ist, oder nicht ?<br />

Der Rhythmus Shakespeares ist nicht die Reihung<br />

eines ruhenden Maßes, er ist sprechend-gewordene Zeit'<br />

Deren Wesen aber ist es, daß sie kontinuierlich fließend,<br />

daß sie unendlich ist. Der Rhythmus Shakespeares kantr<br />

nicht aufgehoben, er kann nur aufgestaut werden' Er dauert<br />

über alle Brechungen weiter <strong>und</strong> zwingt die sich auflehnende<br />

Sprache immer wieder in seinen hinrasenden Lauf'<br />

Jede Pause der Rede, jede Unterbrechung <strong>des</strong> rhythmischen<br />

Ganges wird dadurch ausdruckhaft: Man fühlt<br />

Kraft darin, Kraft der Widersetzung, Kraft der indivicluellen<br />

Schließung <strong>und</strong> Verdichtung. Man ernpfindet das<br />

Ringen ntit dem unendlichen Maße, <strong>des</strong>sen Trieb es ist<br />

alles-Einrnalige <strong>und</strong> Individuelle zu vernichten <strong>und</strong> in seiner<br />

umfassenden Tiefe aufztrlösen.<br />

Sh. I/lll 54.<br />

MY noble Partner<br />

You qreet with present grace, and great pred<br />

iction<br />

l) Schillcr als Drrmatrrrq' Rerlin 97.<br />

l4lt<br />

Of noble having and 0f royal hope,<br />

That he seenls rapt withal; t o m 6 yo u<br />

speak nöt.<br />

. If you can look into the seeds of time,<br />

And say....<br />

Man beachte inr Vorstehenden, wie die Sprache in<br />

lebendigenr Flusse sich vorwärts bewegt, bis plötzlich ein<br />

maßloser, titanischer Wille sie aus solcher öffnung herausreißt,<br />

einen ganz individuellen, in sich geschlossenen Laut<strong>und</strong><br />

Sinnkörper als Danrnt <strong>und</strong> Grenze in clen Rhythrnus<br />

stampfend: To mö you speak nöt. Trotzdem fühlt rnan<br />

den rhythrrrischen Schwung weiterdauern, er wird anschrvellend<br />

die Dämme überfluten <strong>und</strong> von neuem <strong>und</strong><br />

gesteigert seinen Lauf beginnerr. Welch ungeheure Ausdruckskraft<br />

liegt nun in solch individueller Brechung. Mit<br />

welcher spannunggeladenen Plastik werden die Worte ..To<br />

me you speak not" aus dem zeithaft-offenen Flusse <strong>des</strong><br />

Rhythmus in den Raum getrieben uncl als gegenwärtige,<br />

schaubare Geste vorgestellt.<br />

I{ o c lr g e s a tr g, Win(llur{rcrt <strong>des</strong> Diclrlstils. I0<br />

G.A. Bürger-Archiv<br />

G.A. Bürger-Archiv

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