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Hochgesangs Wandlungen des Dichtstils - Leben und Werk des ...

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Die Sprache<br />

Dorothea Tieck<br />

107<br />

Weg zu Ende. Sie läßt mit seiner bildhaften \''ertretung<br />

auct das Gesetz selber, die ewige Ordnung, untertauchen<br />

<strong>und</strong> sich atlflösen im zeitlichen Strom der Dinge' Wenn<br />

klassischer Wille den Gedanken zum Bilde macht' so läßt<br />

romantischer Geist in s0lcher Anschauung die Zeit schwingend<br />

rverden: Er macht Denken zu lebendiger Oeschichte'<br />

äu bildhafter \rerwandlung. Der romantische Mensch<br />

denkt nicht mehr zeitlos folgernd in Begriffen, er schaut<br />

wieder nit innerem Auge. Freilich, er schattt nicht Wirklichkeiten<br />

wie Shakespeare. Denn es war nicht die stoffliche,<br />

die dichte, die wirkliche Welt, welche die Klassik dem<br />

inneien Auge <strong>des</strong> tr[en;chetl zuriickgewaun, vielmehr eine ideai.<br />

W.tt, ciie gereinigte, eine geistig filtriertc' Doch darüber<br />

irr anderem Zusammenhang. Wa; ich hier lebetrdig machen<br />

möchte, clas ist der aus solcher Art <strong>des</strong> Denkens resultierende<br />

Gegensatz <strong>des</strong> Sturm <strong>und</strong> Drang <strong>und</strong> der.-Romantik' ein<br />

Ge[ensatz, der erst die Bedeutung der Klassik als Zwischenstuie<br />

<strong>und</strong> notwendige Voraussetzung für das Netre <strong>und</strong> Eigenartige<br />

der Romantik ins rechte Licht zu rücken vermag:<br />

ä. lAut dem Dolchmonolog.) Bei 6ott! So körperlich<br />

als dieser, den ich hier zücke. -- Ha, ha! Willst wohl gar<br />

rnein Wegweiser seyn ? Recht so ! Deinesgleichen gebrattchte<br />

ich cben. - Entweder meine Augen oder die ilbrigen Sinnen<br />

haben ntich zum Narren' -- Wie? lmmer <strong>und</strong> imnter noch<br />

da? Sogar Blutstropfen auf deiner Klinge? Die rvaren<br />

doch vorher nicht da! -<br />

T. IIi L Ich seh dich noch so greifbar von Gestalt<br />

Wie der, den jetzt ich zttcke'<br />

Du gehst mir vor den Weg, den ich will schreiten'<br />

Und eben solche Waffe wollt' ich brauchen'<br />

N1ein Auge rvard der Narr der andern Sinne'<br />

Ocler mehr als alle werth. -- lch seh' dich stets'<br />

Und dir an Griff <strong>und</strong> Klinge Tropfen Bluts'<br />

Was erst nicht war*).<br />

Der Sturm <strong>und</strong> Drang hat das Denken nicht wie die<br />

Ronrantik zu lebendigen, organischem Flusse zu gestalten<br />

vermocht. Er rang vergeblich nrit einer starren Logik.<br />

Denn noch lvar Logik eine abstrakte Norm <strong>und</strong> nicht lebendige<br />

Erfahrung, noch war sie nicht schaubar geworden in<br />

einer Welt von klassischen Formen. Damit fehlte die Möglichkeit<br />

<strong>des</strong> anschaulichen (sprachlichen) Denkens, das allein<br />

das Mechanische rnit dem Organischen, das abstrakte Gesetz<br />

nrit dem <strong>Leben</strong> zu versöhnen vernlag. So bleibt Sturmrrnd<br />

Drangsprache statisch, ein logisches System. Das neupulsierende<br />

l-eben äußert sich in der Zersetzunq, es reißt<br />

Lticken in die Folgerichtigkeit der sprachtichen Konturen.<br />

Dramatische Sturrn- <strong>und</strong> Drangsprache ist wie<br />

cine von inncn her angefressene Monadenwelt, eine irrationale<br />

Gärung hat die prästabilierte Ordnung crgriffen.<br />

ohne daß sie doch die zeitloseu, rationalen Entwicklungslinien<br />

restlos auszulöschen vermöchtel). Anders in der<br />

Romantik: sie kennt nicht den absoluten Rruch von Fühlen<br />

rrnd Denken, wie er für den Sturm uncl Drang charakteristisch<br />

ist. Romantische Sprache ist nicht mehr verhaftet<br />

in starrer Logik. Sie steht denr Gesetze nicht mehr gefesselt<br />

gegenüber: das Gesetz ist ihrer Bewegung immanent gervorden;<br />

eben weil Denken nuumelrr wiedcr lebendiges<br />

inneres Schauen bedeutet <strong>und</strong> alles Lebeildige, <strong>und</strong> sei es<br />

auch nur in Träumen lebendig, das Gesetz seines Daseins<br />

l) Lyrische Sturm- <strong>und</strong> Drangsprache dagegcn - <strong>und</strong><br />

das gibt ihr die besondere Stellung * bedeutet die erste phase<br />

in der organischen Durchdringung <strong>des</strong> sprachlichen Entfaltungsweges,<br />

eine Durchdringung, erwachsend aus dem Schmelzfeuer<br />

individueller Ekstase. Aber erst die Klassik hat kraft ihres<br />

Vermögens zu anschaulicher Cestaltung den Ausgleich <strong>des</strong><br />

Zwiespaltes von logischer Mechanik <strong>und</strong> organischem <strong>Leben</strong> zu<br />

vollenden <strong>und</strong> die so gewonnene Sprache auch zur Basis <strong>des</strong><br />

gegenständlichen Denkens zu machen vermocht.<br />

G.A. Bürger-Archiv<br />

G.A. Bürger-Archiv

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