06.11.2013 Aufrufe

Hochgesangs Wandlungen des Dichtstils - Leben und Werk des ...

Hochgesangs Wandlungen des Dichtstils - Leben und Werk des ...

Hochgesangs Wandlungen des Dichtstils - Leben und Werk des ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

l J.l.<br />

Rhytltrnus<br />

Rhythmus 155<br />

T. Ili I. Bist du, Unglücksbild, so fühlbar nicht<br />

Der Hand gleich wie dem Aug? oder bist du nur<br />

Ein Dolch der Einbildung.<br />

1'. I ll/ll.<br />

Das Licht rvird trübe;<br />

Zunt dantpf enden Wald erhebt die Kräh dcn<br />

Flug<br />

Ern charakteristischer Zug <strong>des</strong> Tieckschen Shakespeare_<br />

Verses -- ich habe ihn bereits oben flLichtig berührt -<br />

bleibt noch einer näheren Betrachtunp zLt unterziehen.<br />

Sind es denn nur jene vor einer abstrakten rhythmischen<br />

Formel tastbaren Rauheiten dieses Verses, die ihm seine<br />

Ausdruckskraft verleihen ? Erinncrn wir rrns an die Tiecksche<br />

Fassung <strong>des</strong> Dolchmonologes;<br />

T.<br />

U.<br />

Ist das ein l)olch, was ich vor mir erblicke.<br />

Der Griff mir zugekehrt.<br />

Oder um noch andere Beispiele zu erwähnen:<br />

llllll. Zerltackt ward nur die Schlange,<br />

nicht getödtet;<br />

Il/ll. Die Kärnmerlinge, scheint es, sind die Täter.<br />

als das ,,gegen dic" ztt einer Art Auftakt zusallllnen zu<br />

reißelt. Und trotzdcrrr wird die Stclle durchaus als rhythnrisch<br />

enrpf<strong>und</strong>en.<br />

Bereits in diesen Fälle:t bilderr sich Senkungsfüllungen<br />

von mehr als einer Silbe heraus. Verse, die von Anfang an<br />

solche mehrsilbigen Senkungen zeigen, bringen daher nichts<br />

Neues <strong>und</strong> Besonderes:<br />

Wo ist in Schriftbild jene forrnelgegebene Aufeinanderfolge<br />

von Hebung <strong>und</strong> Senkung verletzt? Abgesehen von<br />

dem ,,ist" im ersten Beispiel nirgends. Trotzdem kann von<br />

klassischer Alternatio nicht gesprochen werden. Denn die<br />

Verse dürfen eben, wie auch alle vorausgehenden <strong>und</strong> nachfolgenden<br />

zeigen, nicht klassisch gelesen werden. Es liegt<br />

inr Wescrt rotttatttischer Sprache, Ausdruck zu sein. Sie<br />

verlangt cincn vieI leidenschaftlicltcren Voltrag als die<br />

klassische Sprache. Und da tnit einem Male beginnt es<br />

sich irn Verse zu regen. Affektische Akzente steigen aus<br />

den Sinrgipfeln hervor <strong>und</strong> entwerten alle schwächeren<br />

Nachbarn. (So betorre ich irr süddeutscher Tongebung<br />

,,Dolch" mit sehr starker Hochsetzung bei starker Tempobeschleunigung<br />

<strong>des</strong> Folgenden, eben so ,,zerhackt" <strong>und</strong><br />

,,Kärnmerlinge".) Parallel gehen affektische Dehnungen <strong>und</strong><br />

Verkür'zungen der Worte <strong>und</strong> durch sie enrpf ängt der<br />

Rhythmus jene irrationalen Proportionen, jenes Schwebende,<br />

Fließende <strong>und</strong> Drängende, das ihn von der gelnessenen,<br />

selbtssicheren Haltung <strong>des</strong> klassischeu Verses<br />

unterscheidet. Der Gang der Sprache wird hastend <strong>und</strong><br />

suchend, dann wieder zögernd <strong>und</strong> verrveilend, eintauchend<br />

in die affektische Verhaftung <strong>und</strong> aus solcher Verhaftung<br />

sich wieder lösend:<br />

Zerhäckt ward nur clie Schlange, nicht getäCtet'<br />

Die Kämnrerlinge, scheint es, sittd clie Täter.<br />

War im klassischen Vers die jambische Alternation das<br />

wesentlich Sprechende, so tritt nun, in der Hauptsache<br />

erwachsend aus den ausdruckhaft betonten <strong>und</strong> gedehnten<br />

Silbensonanten, die ganz irrationale, immer netl verwandelte<br />

melodische Schwingung <strong>des</strong> Verses führend in<br />

den Vordergr<strong>und</strong>. Kurzum, der Tiecksche-Shakespeare-Vers<br />

wird nicht wie der klassische getragen von einer gesetzhaften<br />

Kontur, von detn regelmäßigen ALrf <strong>und</strong> Nieder von Hebung<br />

<strong>und</strong> Senkung; diese Regelnräßigkeit ist nicht nur dort verletzt,<br />

wo es in versetzten Akzenten unrnittelbar greifbar<br />

ist, sie ist intnter <strong>und</strong> überall verletzt, oder besser, sie wird<br />

durch den ausdruckhaften melodischen Charakter der<br />

Sprache in jedern Augenblick verflüchtigt <strong>und</strong> aufgelöst.<br />

Ausschlaggebend für den rhythmischen Charakter aber<br />

G.A. Bürger-Archiv<br />

G.A. Bürger-Archiv

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!