Hochgesangs Wandlungen des Dichtstils - Leben und Werk des ...
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Die Sprache<br />
T. Der König hörte hocherfreut, Macbeth,<br />
Die K<strong>und</strong>e deines Siegs; <strong>und</strong> wenn er liest,<br />
Wie im Rebellenkampf du selbst dich preisgabst,<br />
So streiten in ihm Staunen <strong>und</strong> Bew<strong>und</strong>erung,<br />
Was dir, was ihm gehört. Doch überschauend,<br />
Was noch am selbgen Tag geschehn, verstummt er;<br />
In Norwegs kühnen Schlachtreihn sieht er dich,<br />
Vor dem nicht bebend, was du selber schufest,<br />
Abbilder grauen Tods.<br />
Sh. Iv/lll 209. The grief that does not speak<br />
Whispers the o'erfraught heart and bids it<br />
break.<br />
B. IV/VL Sturnmer Schmerz überladet die Brust <strong>und</strong><br />
zersprengt sie.<br />
T. Gram, der nicht spricht,<br />
. Preßt das beladne Herz, bis daß es bricht.<br />
Die Rornantik lauscht den Dingen in ihrem inneren zeitlichen<br />
Ablauf. Man hört die Zeit in ihrer Sprache wandern<br />
(.. . preßt das beladne Herz, bis daß es bricht). Bürgers<br />
Sprache aber fehlt der gleichmäßig vorrvärtsdrängende Charakter<br />
zeitlichen Geschehens. Dafür wohnt in dem bewegten<br />
Innern ihrer Verben das Erlebnis einer Kraft, das ist der<br />
Kraft, nrit der etwas geschieht (Stummer Schmerz überladet<br />
die Brust <strong>und</strong> zersprengt sie). Der Romantiker<br />
wird mit allem Geschehen selbst Geschichte. Er löst sich<br />
auf im Wandel von Zeit <strong>und</strong> Dingen. Der Stürmer verliert<br />
sich nicht an die Zeit <strong>und</strong> ihren schicksalsgeb<strong>und</strong>enen<br />
Verlauf. Er macht Geschehen zeitlos (nicht in dem für die<br />
Klassik gültigen Sinne dieses Wortes): er reißt es an sich<br />
als einmalige, bewegte, krafterfüllte Gegenwärtigkeit.,,Verw<strong>und</strong>erung<br />
<strong>und</strong> Freude über deine Tapferkeit . . . er{iillten<br />
so sehr sein Herz. dalj es in lauten Lobeserhebungen überfloß.<br />
Denk ihn dir vollends, als er an denr nämliclien Tage<br />
dich in dem Getümmel der unbändigen Norweger ' . .<br />
kämpfen sah!" Nicht in ihrent organischen Flusse wie in<br />
der romantischen Fassung, wohl aber in der Intensität ihrer<br />
Vorgänge wird hier die Vergangenheit noch einmalebendig<br />
<strong>und</strong> gegenwärtig.<br />
Wenn ich mich nach dem Vergleich mit der Romantik<br />
zum Vergleich mit Shakespeare wende, ergibt sich Verwandtes:<br />
Shakespeare setzt inneres Erleben um in eine<br />
gewaltsam vorwärtsdrängende sprachliche Bewegung, die<br />
Raum <strong>und</strong> Zeit um sich her auszustrahlen scheint' Der<br />
Stunn <strong>und</strong> Drang verfährt umgekehrt: er holt fühlend <strong>und</strong><br />
erlebend die Kraft, das Psychische <strong>und</strong> Unausgedehnte,<br />
aus allem in Raum <strong>und</strong> Zeit lebendigen Geschehen. Seine<br />
Sprache ist nicht Gestaltung anschaulicher Bewegung, sie<br />
ist unnrittelbarer Ausdruck von Kraft, von seelischer Bewegtheit.<br />
lm besonderen verweise ich noch attf das erste<br />
Beispiel : Shakespeare macht die Erlebnisse <strong>des</strong> KÖnigs zu<br />
einem objektiven räumlichen Geschehen ("his wonders and<br />
his praises do contend which should be thine or his"),<br />
Bürgers Fassung aber drückt die Kraft aus, mit der sie<br />
auf seine Seele wirken (,,Verw<strong>und</strong>erung<br />
Freude ' ' ' erftillten<br />
so sehr sein Herz, daß es in lauten Lobeserhebungen<br />
iiberfloß"). - Wir sprechen hier von der dramatischen Prosa<br />
Bürgers. Darin liegt die Begründung, ciaß in den Beispielen<br />
nur die negative Seite im Zeiterlebnis <strong>des</strong> Sturttt <strong>und</strong> Drang<br />
sichtbar geworden ist, also die Auflehnung gegen alles überindividuell-geb<strong>und</strong>ene,<br />
gesetzhafter Succession weiterschreitende<br />
zeitliche Geschehen <strong>und</strong> <strong>des</strong>setl Verdichtung zu<br />
intensiven Erlebnismomenten. Deneigenen ganz freien, ganz<br />
subjektiven Zeitausdruck ihrer schöpferisch sich verwandelnden<br />
Kräfte haben die Stürmer-<strong>und</strong> das ist leicht verständlich<br />
- nur tosgelöst von aller gegenständlichen Bindung <strong>und</strong><br />
Beschwerung int lyrischen Gesang zu gestalten vermocht'<br />
G.A. Bürger-Archiv<br />
G.A. Bürger-Archiv