Hochgesangs Wandlungen des Dichtstils - Leben und Werk des ...
Hochgesangs Wandlungen des Dichtstils - Leben und Werk des ...
Hochgesangs Wandlungen des Dichtstils - Leben und Werk des ...
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
64 Die Spraclre<br />
nicht. Frjr einen Inhalt besitzt er nur ein Wort (der lntention<br />
seiner Kunst, nicht dem tA.:ächlichen Bestand seiner<br />
Sprache nach), aber dieses Wort umfaßt das Wesen. Diese<br />
Begrenzung <strong>und</strong> Typisierung der Welt irr Raume der<br />
Sprache ist Kraft <strong>und</strong> Entsagung zugleich. Sie bannt die<br />
verwirrende Fülle der Welt <strong>und</strong> <strong>des</strong> <strong>Leben</strong>s. die Unendlichkeit<br />
ihrer Farben <strong>und</strong> Brechungen in einfachen wesentragenden<br />
Formen. Sie klärt <strong>und</strong> sie läutert. Aber die<br />
Schönheit <strong>des</strong> Einmaligen <strong>und</strong> Besonderen muß solcher<br />
Sprache fernbleiben. Shakespeare kann darin nicht zur<br />
Erscheinung kommen.<br />
Das Wort schlechthin der klassischen Sprache muß das<br />
Substantiv seinr). Denn es ist das Wort der Substanz, die<br />
Bezeichnung von Sein <strong>und</strong> Gestalt. Übersetzungen in<br />
Schillers Macbeth wie..das Wesenlose" für "what is not"<br />
(lllI 142)z), die ,,Begrabenen" für "those that vre bury"<br />
(.. . And our graves mrrst send those that we bury back),<br />
das ,,Wiegenkind" für "who knowsnothing" (where nothing<br />
but who knows rrothing, is once seen to smile, I/lll 166)<br />
<strong>und</strong> viele ähnliche deuten schon in dieser Richtung. Überraschend<br />
häufig beobachtet man bei Schiller Substantivformen<br />
in der Aussage, wo sie bei Shakespeare fehlen: <strong>und</strong><br />
das bedeutet je<strong>des</strong>nal eine Einordnung <strong>des</strong> bei Shakespeare<br />
ganz einmalig <strong>und</strong> individuell Gestalteten in eine weite <strong>und</strong><br />
allgemeingültige Perspektive, gleichzeitig die Untergründung<br />
<strong>des</strong> Satzes mit tektonischer Festigkeit:<br />
Sh. III/I 38. I wish your horse swift and sure of foot.<br />
Sch. III/ll. So wünsch ich euren Pferden Schnelligkeit<br />
Und sichre Füße!<br />
l) Vgl. Fritz Strich: Deutsche Klassik <strong>und</strong> Romantik, S. 136.<br />
2) Über die Unmöglichkeit solcher Übersetzung dieser Stelle<br />
vgl.K. Werder: Vorlesungen über Shakespeares Macbeth.<br />
Berlin 1885, S. 21.<br />
Schilter 65<br />
Sh. III/ll 38. But in them nature's copy's not eterne.<br />
Sch. III/V. Doch keinem gab<br />
Natur das Vorrecht der Unsterbli chkeit<br />
Sh. III/lll 17. Thou nrayst revenge.<br />
Sch. III/Vll. Du kannst rnein Rächer sein!<br />
Sh. III/lV 48. What is't that nroves<br />
Your highness.<br />
Sch. III/VIIL Was setzt Eure Hoheit<br />
Soin Belvegung?<br />
sh. rrr/tv 54. The fit is montentary.<br />
Sch. IIIIVIII. Der Anstoß währt nur einen Augenblick.<br />
sh. rrri rv 59.<br />
Sch. III/VIII.<br />
Ay, and a bold one that dare look on that<br />
Which might appal the devil.<br />
Ja, <strong>und</strong> ein beherzter<br />
Dazu, der Mut hat, etwas anzuschauen,<br />
Wovor der Teufel selbst erblassen würde !<br />
Sh. Ill/lv 139. Strange things I have in head, that will to<br />
hand;<br />
Which must be acted ere they may be<br />
scann'd.<br />
Sch. III/lX. Seltsame Dinge wälzt mein Geist bei sich<br />
Herum, die einen raschen Arm erfordern,<br />
Und Tat sein müssen, eh sie Worte sind.<br />
Die Beispiele können nicht erschöpfen, sie wollen nur<br />
hinweisen auf eine Erscheinung, die sich in Schillers Übersetzung<br />
Zeile für Zeile <strong>und</strong> Satz ftir Satz wiederholt.<br />
Auch Shakespeare kenttt den Drang zur Substantivierung,<br />
aber das heißt bei ihm nicht plastische Herausarbeitung<br />
<strong>des</strong> Wesenhaften, sondern Wille zur stoffbeschwerten,<br />
individuellen Verkörperung. Es bedeutet ein<br />
Schaff en von einmaligen Wirklichkeiten, ein unendliches<br />
Gestalten <strong>und</strong> Wiederverwandeln von Formen, Bildern<br />
Hochgesang, Wandlungeo <strong>des</strong> <strong>Dichtstils</strong>. 5<br />
G.A. Bürger-Archiv<br />
G.A. Bürger-Archiv