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Freiwild. Zum Beispiel Konrad - Hermann W. Prignitzer

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„Wo werd’ ich, is’ mir doch voriges Jahr verboten worden, und seit wann mach ich was<br />

Verbotenes, Herr Strassner?“<br />

Zeitgleich, ich mich schnell wieder hingesetzt, kamen Strassner und Siegmar an den Küchentisch<br />

zurück. „Ein irgendwie verkorkstes Wochenende“, fand Strassner, „nichts gelaufen<br />

wie immer. Erst waren hier welche schon wieder weg, weil sie aufs leere Nest gekommen<br />

sind, dann die Nacht das Theater mit diesem Neffen vom Lux, und heute wir Männer alle einen<br />

Kater und ihr Jungs nicht ausgelastet. Irgendwie ist diesmal der Wurm drin. Fühlt ihr<br />

euch trotzdem einigermaßen, Jungs?“ Was Siegmar bejahte, was ich bejahte, und Strassner<br />

sagte: „Na ja, ihr als unsere Geschöpfe, ihr müsst ja, was bleibt euch anderes übrig, euch stekken<br />

wir’s doch hinten und vorn rein. Guck dich an, Siegmar: Du wirst eines Tages das Vorbild<br />

für die Lichtgestalt in einem sozialistischen Entwicklungsroman abgeben. Und du, <strong>Konrad</strong>,<br />

du bist mal, wenn alles gut läuft, eines unserer Aushängeschilder, wie man in unserem<br />

Land Talente fördert, die sich nämlich nur voll entfalten können, wo gesellschaftlich rundum<br />

alles stimmt. Mein Gott, geht ihr einer gesicherten Zukunft entgegen. Als ich so alt war wie<br />

ihr, da war fast schon vorhersehbar, wo ich mal lande, wenn diese Sozialdemokraten die Republik,<br />

die Liebknecht achtzehn ausgerufen hatte, in den Satz setzen. Und sie haben sie<br />

gründlich in den Sand gesetzt. Mit zweiund dreißig saß ich schon im KZ. Da konnte unsereiner<br />

übrigens auch bumsen. Ich war ja sehr schnell Kapo, irgendwann sogar Oberkapo. Da<br />

hatt’ ich genug Bewegungsfreiheit, und die sie da bei uns eingeliefert haben, die wurden immer<br />

jünger. Und ich habe nicht wenigen das Leben gerettet, nur weil sie mir ihren Arsch hingehalten<br />

haben. Zigeunerbengels. Judenbengels. Erst geheult, aber fünfundvierzig, als der<br />

Spuk vorbei war, da ist mir so mancher um den Hals gefallen. Natürlich nicht alle, Undankbare<br />

gibt es ja überall in der Welt. Du setzt dich für sie ein, und am Ende spucken sie dir trotzdem<br />

ins Gesicht. Na Gott ja, hat mir nicht geschadet, wie ihr seht. Heut bin ich Mitglied einer<br />

Berufungskommission beim Ministerium für Volksbildung. Bestimme mit, wer zum Leiter<br />

unserer größeren und großen Heime berufen wird. Also, Siegmar, halt dich ran. Dich box’<br />

ich, wenn du mitziehst, nach ganz oben, und dann hast du die Möglichkeiten, die du brauchst:<br />

Ärsche en masse, die nur drauf warten, dass du sie knackst. Hier, sieh dir <strong>Konrad</strong> an. Was<br />

denkst du, wie der froh war, als er zu uns kam, dass er sich endlich wem hingeben konnte.<br />

Der war schon mit dreizehn eine läufige Hündin. Stimmt’s, <strong>Konrad</strong>, das warst du? Schon damals<br />

immer drauf aus und drauf aus, und ich hab’ dich erlöst. War doch so, was <strong>Konrad</strong>?“<br />

„Ja, ja, das war so, ja, aber jetzt würde ich gern schlafen gehen. Das Bier hat mich müde<br />

gemacht.“<br />

„Geht mir auch so, Herr Strassner. Dürfen wir uns hinlegen?“<br />

„Ja, ja, haut mal ab. Ich habe im Moment, so schmackhaft ihr auch ausseht, keine nennenswerte<br />

Gier, ich kann euch verschmerzen. Aber morgen Vormittag, da müssen wir alle<br />

noch mal so richtig derbe rumsauen. <strong>Zum</strong> <strong>Beispiel</strong> diesem Manfred als Abschiedsnummer<br />

zwei auf einmal reinstecken. Ihn richtig spüren lassen, worauf er künftig verzichten muss. Das<br />

sollt’ ihn schon traurig stimmen, dass er fürs Erste hier nicht noch mal herkommen darf. Na<br />

ja, nun zuckelt mal ab, ich hab’ jetzt keine Lust, euch was Gutes zu tun. Jetzt müsst ihr mal<br />

ungeküsst nach Hause gehen, wie man so sagt.“ – ‚Ja, sagt man so, wenn man mal ausnahmsweise<br />

drum herumkommt?‘ dacht’ ich und zog mit Siegmar ab. Wir krochen neben den<br />

Manfred, der weltvergessen schlief oder womöglich grad einen Albtraum hatte; gewundert<br />

hätte mich Letzteres nicht, obwohl speziell ich damals im Schlaf von Horrorvisionen noch<br />

verschont blieb. Karsten Knopf nicht, aber mich krochen sie erst an, als ich nicht nur das<br />

Heim, sondern schließlich auch Wegner los war. Mir Albträume erst, als ich das Gesockse ein<br />

für allemal hinter mir hatte und vor mir ein aus mir heraus arg unterbelichtetes Geschlechtsleben.<br />

Nur Flüchtiges, wenn es wirklich mal mit mir durchging, ansonsten Handbetrieb. Da erst<br />

mir Albträume, oder richtiger: ein Albtraum in mehrerlei Variationen. Ich im Traum immer<br />

noch sehr jung, und ein kreisen mich Männer oder hinterher oder entgegen kommen mir<br />

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