Freiwild. Zum Beispiel Konrad - Hermann W. Prignitzer
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„Ja, abgehauen. Aber freu dich nicht zu früh. Das Biest hat sich erhängt. So, und nun gehen<br />
wir zu Rabelt rüber, ich will dich heut noch flennen sehen. Aber nicht dieses Schafskopfs<br />
wegen, der sich aus purer Leichtfertigkeit seine Zukunft abgeschnitten hat. Und du bist daran<br />
garantiert nicht schuldlos, Wohlgemuth. Dem Jungen Subversives eingeflüstert, was? Euer<br />
Rumgetuschel da am Sonnabend, als ihr nicht ausgelastet wart, hat mit gleich nicht gefallen.<br />
Irgendwie warst du oben auf. Los, gehen wir. Und heut steck ich Meinen zu Rabelts mal wieder<br />
dazu. Leute aufwiegeln wäre so das Schäbigste, was du dir angewöhnen könntest, Wohlgemuth.<br />
Aber ich lass dich jetzt nicht links liegen, keine Angst. Du, ich mach’ dir stattdessen<br />
rigoroser denn je den an deine guten Seiten glaubenden Erzieher. Ich trimm’ dich wieder auf<br />
Linie.“ – Und etwa vier Wochen später ward mir eine ähnliche Rede zuteil; war ich nämlich<br />
laut Strassner ganz gewiss wieder an was Schuld. Ich war zum zweiten Mal bei diesem Herrn<br />
Lademann und Seinesgleichen in wilder Nacht sozusagen bis dorthinaus ramponiert, nicht nur<br />
ich, auch wieder dieser Gerhard Schluchzer und mein einstiger Schlafsaalkamerad Rolf Gerke,<br />
nun Hausgenosse Lademanns, und dann war da noch ein Junge gewesen... dass der schon<br />
sechzehn war, wie allen vorgestellt, das hatte ich arg bezweifelt, der hatte mir eher den Eindruck<br />
nach vierzehn gemacht. – Na ja, wie dem auch sei, jedenfalls hatt’ ich die schlimme<br />
Nacht grad hinter mir, durft’ mich früh morgens von den Schindern verabschieden, Strassner<br />
mit seinem IFA gekommen, mich abzuholen, da hieß es, ich grad in Strassners Wagen gestiegen:<br />
„Ins Heim zurück geht’s erst heute Abend. Jetzt machen wir eine Landpartie, und nach<br />
knapp vierzig Kilometern treffen wir auf Robert Schmiedel, dem du seinen Neffen entfremdet<br />
hast.“<br />
„Manfred?“<br />
„Ja, Manfred. Schmiedel hat nur den einen Neffen.“<br />
„Und was is’ mit dem?“<br />
„Das, wozu du auf Wolfgang Wegners Anwesen den Grundstein gelegt hat, als du dich<br />
unbedingt für ihn einsetzen musstest. Weißt du, wozu das geführt hat? Ich weiß es schon seit<br />
gut vier Wochen, aber erst jetzt hat sich die Angelegenheit geklärt, kann Robert aufatmen.<br />
Manfred ist in eine Anstalt eingewiesen worden. Zwangsvorstellungen aus Verfolgungswahn.<br />
Wollt’ sich verstümmeln, wollt sich den Penis abschneiden. Im Freibad auf der Toilette. Ist<br />
aber missglückt, ist rechtzeitig vor Schmerz in Ohnmacht gefallen, ist dann auch rechtzeitig<br />
entdeckt worden. Aber als ihm geholfen war, hat er gefaselt, sein Pimmel müsste weg, wegen<br />
dem wären Männer hinter ihm her, wollten ihm laufend was antun. Was, hat er nicht gesagt,<br />
welche Männer, auch nicht. Männer eben, und die wollten was vom ihm. Und daran wäre sein<br />
Pimmel schuld, am dem läge das alles. – Guck mal, da drüben: ein Reh. Da am Waldrand.<br />
Schönes Tier, so ein Reh. Dagegen ist der Mensch... wie schnell setzt bei dem was aus. Den<br />
Manfred müssen sie zur Zeit ans Bett fixieren, will sich jetzt andauernd den Penis rausreißen,<br />
dieses mickrige Ding, kannst du dich erinnern? Der Junge konnte doch froh sein, dass sich<br />
überhaupt einer nach so was umgedreht hat. Und überhaupt hatte der Junge es doch gut, als<br />
würde er in Abrahams Schoß liegen. Hat er ja auch zu würdigen gewusst. Aber dann kamst du<br />
mit deinem verdammten sogenannten Mitleid. – Da schon wieder ein Reh. Zwei sogar. Ach,<br />
da vorn ist noch ein drittes, siehst’ es?“<br />
„Ja.“<br />
„Na ja wie gesagt, dann kamst du und hast alles verdorben. Zuerst den Siegmar durcheinander<br />
gebracht und dann den Manfred verwirrt. Und nun wirst du dessen Onkel trösten. Den<br />
und noch welche, da wo wir jetzt hinfahren. Kommst in eine hübsche Försterei. Mitten im<br />
Wald. Da kannst’ dir die Lunge aus dem Hals schreien, dich hört trotzdem keiner. Dich nicht<br />
und den Karsten Knopf auch nicht.“<br />
„Wieso Karsten?“<br />
„Tu nicht so, als wenn du nicht wüsstest, dass das auch so einer ist wie du.“<br />
„Woher soll ich das wissen?“<br />
„Vom Schlafsaal.“<br />
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