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Freiwild. Zum Beispiel Konrad - Hermann W. Prignitzer

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„Ja, hab’ ich, aber nun hört mal auf mit so was. Seid lieber froh, dass es ausgestanden is’.<br />

Und dich angefasst hat Fuhrmann wirklich nich’?“<br />

„Nee, hat er nich’, Herbert, hat er wirklich nich’. Schlimm is’ nur, dass er mich für krank<br />

hält.“<br />

„Komm, das überstehst du. Kalt duschen schadet einem nich’, und wenn du dann runterkommst,<br />

fick’ ich dich wieder warm.“<br />

„Nee Herbert, nee, das nich’ machen. Dann will ich lieber gleich schlafen. Das strengt<br />

mich bestimmt schlimm an, das kalte Duschen.“<br />

„Na gut, dann schläfst du eben. Und wenn du mal was andres willst, dann sagst’ es. Lass<br />

ich ab vom Karsten, nehm’ dich.“<br />

„Auch so mit Kuscheln?“<br />

„Klar mit Kuscheln. Wirst auch geküsst.“ Und damit war der Zwischenfall, der uns erschreckt,<br />

einer zum Vergessen. Wenn auch nicht für den Andreas. Das kalte Duschen ging<br />

ihm, wir sahen’s, gehörig an die Nieren. Der kam Abend für Abend so fünf bis zehn Minuten<br />

nach Beginn der Nachruhe mit arg betrübter Miene wieder bei uns an, seine Klamotten in der<br />

Hand, er schon im Nachthemd, das er stets mitzunehmen hatte, ging er hoch, um sich unter<br />

Fuhrmanns Aufsicht „den sexuellen Hang nach Jungs“ auszutreiben. Und auch nach anderthalb<br />

Wochen hatte Fuhrmann noch kein Erbarmen, nach anderthalb Wochen kriegte der Andreas<br />

lediglich eine dreitägige Pause der Behandlung zugebilligt. Seine Urgroßmutter, wohnhaft<br />

in Dresden, wurde hundert. Da durft’ er zur Geburtstagsfeier hinfahren. Sogar auf Staatskosten,<br />

so nobel sorgte der Staat für uns Waisenkinder. Was Andreas Schönemann dem Staat<br />

allerdings nicht dankte. Andreas kam nicht zurück. Wir erfuhren, dass er sich umgebracht<br />

hatte. Hatte sich aus dem Flurfenster des dritten Stocks eines Dresdner Mietshauses fallen<br />

lassen. Leider hätte das Erzieherkollegium zu spät des Andreas Schönemanns seelische Verirrung<br />

wahrgenommen, so hieß es, und es hieß auch, wir vom Schlafsaal drei wären die eigentlichen<br />

Schuldigen an diesem tragischen Ende eines Kameraden; denn statt uns auf ihn einzulassen,<br />

hätten wir Meldung machen müssen. Ja, so hieß es, und wie viele aus unserem Schlafsaal<br />

und wie viele aus den beiden anderen Schlafsälen dies als Hohn begriffen, weiß ich nicht,<br />

weil die, die mit Krassner und Konsorten ihre speziellen Erfahrungen hatten, von denselben ja<br />

nichts verlauten ließen. Nur Karsten Knopf und ich tuschelten mal wieder miteinander. Wir<br />

hatten uns auch schon über das Kalt-Duschen-Müssen so unsere Gedanken gemacht, und<br />

zwar gleich als der Andreas uns davon erzählt hatte, was durch Fuhrmann auf ihn zukäme.<br />

Karsten stutzig geworden, ich stutzig geworden, als der Andreas gemeint hatte, das Duschen<br />

würde ihn gewiss mächtig anstrengen, da würde er danach wohl immer nichts als schlafen<br />

wollen. – „Du, weißt’, was ich denke, Konni?“<br />

„Der muss vielleicht gar nicht duschen –“<br />

„– nee, der muss sich ficken lassen.“<br />

„Möglich is’et. Und dann is’ auch Strassner dabei.“<br />

„Und vielleicht darf sogar Rabelt mitmachen.“<br />

„Aber Fuhrmann und Strassner reichen auch schon, dass Andreas danach platt is’.“<br />

„Na immer. Und dann reizt ihn auch Herbert nich’ mehr, obwohl er in Herbert wirklich<br />

verknallt is’.“ – Ja, das war der Andreas Schönemann tatsächlich gewesen, in Herbert verschossen,<br />

und das obwohl er mächtig verklemmt dahergekommen war, der Andreas, und ein<br />

anderer als Herbert hätte ihn auch nicht dazu rumgekriegt, unsere Betten in seinem und der<br />

anderen „Kostverächter“ Beisein zur Liebe nutzen zu dürfen. Aber Andreas’ Bett hatte davon<br />

nach der missglückten Nacht, Fuhrmann reingeplatzt, nichts mehr verspürt. Die anderthalb<br />

Wochen, die Andreas zu Fuhrmann hoch gemusst hatte, hatte es stets geheißen, Andreas zurückgekommen,<br />

ihm wäre nicht gut, ihm wäre elend nach dem kalten Wasser, ihn verlangte<br />

nach nix als nach Schlaf. – „Wie lange hast’ denn wieder unter der Dusche stehen müssen?“<br />

„Weiß ich nich’. Aber lange. Lass mich schlafen, Ludwig.“<br />

„Willst’n Kuss?“<br />

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