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Freiwild. Zum Beispiel Konrad - Hermann W. Prignitzer

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„Komm, hör auf mit so’m Unsinn, im Moment bin ich noch gar nichts, Siegmar, ich<br />

komm im September grad mal in die elfte Klasse.“<br />

„Aber leiden kannst’ mich nich’. Ist doch so, stimmts?“<br />

„Schlägst mir eins in die Fresse, wenn ich Ja sage?“<br />

„Nee, aber ich würd’ gern wissen, warum du mich schief anguckst.“<br />

„Weil du so abgebrüht bist.“<br />

„Ja, bin ich vielleicht. Aber weißt du, was ich alles durch habe?“<br />

„Nein.“<br />

„Interessiert dich auch nich’, stimmt’s? Willst du gar nich’ hör’n? Is’ unter deinem Niveau,<br />

hab’ ich recht?“<br />

„Nein.“<br />

„Na dann hör’ zu. Ich bin neunzehnhundertvierzig in Sorau gebor’n worden.“<br />

„Sei mal still, ich glaube, die kommen zurück.“<br />

„Nee, nee, da kommt keiner. Das is’ nur Oswald. – Oswald verschwinde, ich hab’ was<br />

mit <strong>Konrad</strong> zu besprechen, das geht dich nichts an.“<br />

„Ja gut, entschuldige, ich wollt’ auch <strong>Konrad</strong> nur fragen, ob ich Eckhard einen ablutschen<br />

darf.“<br />

„Ja, darfst du, Oswald. Aber da wirst du bei Eckhard auf Granit beißen. Der lässt sich<br />

keinen blasen.“<br />

„Der hat aber gesagt, so was würde ihn jetzt trösten.“<br />

„Ja, wenn du ’n Mädchen wärst.“<br />

„Gut, dann geh’ ich jetzt rein, und mach’ ihm das Mädchen. Er kann ja die Augen zumachen<br />

und sich vorstellen, ich wär’ eins. Außerdem wäre ich ja sowieso lieber eins.“<br />

„Na gut, dann geh mal, versuch dein Glück, Oswald. Und uns lass in Ruhe, Siegmar will<br />

mir was erzähl’n.“<br />

„Gut, gut, ich bin ja schon weg. Muss das ja erledigen, bevor die Männer zurückkommen.<br />

Irgendwann werden sie diesen Knaben doch eingefangen haben.“<br />

„Ja, ja, mach mal hin, sonst wird es nichts mit Eckhard und dir.“<br />

„Das wird schon, ich fliege.“ Und weg war er, der Oswald. – „Du bist fast schon wie<br />

Strassner“, sagte Siegmar, „du verstehst die Leute zu dirigier’n.“<br />

„Quatsch nich’ so’n Stuss, erzähl lieber weiter, du wolltest mir was erzähl’n.“<br />

„Ja, wollt’ ich. Also ich bin neunzehnhundertvierzig in Sorau gebor’n worden. Das gehörte<br />

damals zur Niederlausitz, is’ aber heute in Polen, heißt heute auch irgendwie anders,<br />

aber als ich dort zur Welt kam, hieß es Sorau, und geboren worden bin ich in der Oberstraße<br />

zehn, erster Stock. Ich wäre ’ne Hausgeburt gewesen, hat meine Großmutter gesagt, die mich<br />

auch gern aufgezogen hätte, als meine Mutter fünfundvierzig im Februar die Flucht nicht<br />

überstanden hat, und mein Vater war sowieso schon gefall’n. Ich hatt’ nur noch die Großeltern,<br />

die Eltern meiner Mutter, aber mein Opa, der wollt’ mich nich’. Der hat bei der nächsten<br />

Gelegenheit dafür gesorgt, dass ich ins Heim komme. Und da bin ich gleich in der ersten Woche<br />

ausgerückt. Sechs war ich, und weit gekommen bin ich natürlich nich’. Nur der Mann, der<br />

mich zunächst aufgegabelt hat, der hat mich nicht zurückgebracht. Der hat mich nach ’ner<br />

Stunde wieder laufenlassen, oder weggejagt, das passt besser. Und vorher hat er mich vergewaltigt.<br />

Weißt’, was das heißt? Ich war sechs, und da kam einer, war ein Bauer und der hat<br />

gesagt, jetzt müsst’ er mich erstmal mit ins Haus nehmen, gründlich waschen. Hat mich dann<br />

bei sich in der Küche vollkommen ausgezogen, hat mich in einen Holzbottich gestellt, hat<br />

mich von oben bis unten eingeseift und auf einmal is’ dem Mann die Hose gerutscht und da<br />

hat er mich gepackt und mir seinen Prügel hinten reingehackt. Müsst’ sein, sonst brächt’ er<br />

mich zur Polizei, hat der Kerl geschnauzt. Aber das war nur der Anfang. Als ich dann die<br />

Nacht darauf richtig aufgegriffen worden bin und wieder zurück ins Heim gekarrt wurde, da<br />

bin ich zum zweiten Mal geknackt worden. Diesmal von einem unserer Betreuer. Müsst’ sein,<br />

wäre die Strafe, dass ich weggelaufen wäre. Und so ging’s weiter. Noch einer von unsern Be-<br />

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