Freiwild. Zum Beispiel Konrad - Hermann W. Prignitzer
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tätigen für unser Wohlergehen die Mittel erwirtschafteten. ‚Seht her, ihr Arbeiter und Bauern,<br />
wir sind keine schmarotzenden Müßiggänger, wir schreiten beherzt voran!“ Egal wohin, wir<br />
schritten, und das Kreuz durchgedrückt, sich geradegehalten, selbst wenn es nur zum Freibad<br />
am Suhlesee ging, wohin es halt grad ging an dem besagtem Tag ganz knapp vor den Sommerferien<br />
’57, und mir wurde es verdammt sauer, scharfen Schritts voranzukommen. Kein<br />
Wunder nach der Erlebniskette Strassner/Fuhrmann, dann Rabelt, dann Lademann, und<br />
nochmals Rabelt, dann Richter, dann wiederum Strassner, wenn auch nur ein Fingerfick, und<br />
am Ende der Fuhrmann. Ich ging am Stock oder kroch auf dem Zahnfleisch, wie wir uns damals<br />
wahlweise ausdrückten, wenn man, warum auch immer, körperlich fix und alle war, und<br />
mit meiner Gemütsverfassung stand’s auch nicht zum Besten, wie ich da neben Ludwig marschierte,<br />
vor mir Herbert, hinter mir Justus, und Justus trat mir ein paarmal in die Hacken,<br />
weil ich meine Gangart nicht schnell genug dem Gleichschritt anzupassen vermochte. – „Was<br />
ist denn da vorn schon wieder los? Müde Knochen, Wohlgemuth? Reiß dich gefälligst zusammen,<br />
wir sind hier kein Rentnerklub“, rief Herr Richter, ich wieder mal meine Beine nicht<br />
rechtzeitig von der Stelle gekriegt..– „Hör mal Wohlgemuth, wenn wir am See sind, dich bei<br />
mir melden, bevor du ins Wasser springst“, rief Richter, und zurück rief ich: „Ja is’ gut, Herr<br />
Richter, mach’ ich.“<br />
„Was will denn der von dir?“ fragte Ludwig, „hast’ ihn verärgert?“<br />
„Weiß nich’, glaub nich’, nee.“<br />
„Aber irgendwas hat er heute. Hat dich doch beim Antreten schon mal angeranzt.“<br />
„Hat eben schlechte Laune.“<br />
„Oder du hast’ ihn enttäuscht?“<br />
„Wie ‚enttäuscht‘?“<br />
„Is’ schon gut, war nur so’n Gedanke.“<br />
„Komm, spinn nich’ rum.“<br />
„Na dann beweg deine Füßchen, sonst blafft Richter noch öfter.“ – Nein, blaffte er nicht,<br />
wir waren ja auch kurz darauf schon am Ziel; vor uns der Suhlesee, hinter uns der Stadtforst<br />
von X. X tief im Sächsischen, zirka 50 Kilometer südöstlich Leipzigs. Es heißt, heutzutage<br />
wäre dieses X eine „sterbende Stadt“. Wie tröstlich, wenn mir auch eine allzu späte Genugtuung.<br />
Obwohl: wäre dieses Nest damals schon im Versinken begriffen gewesen, hätte es mir<br />
auch nichts genützt, wäre ich woanders hin verfrachtet worden, und wie hatte Herbert immer<br />
gesagt: „Wenn du ein Heim kennst, kennst du alle. Überall dieselbe Scheiße.“<br />
„So, lagert euch, und dann ausziehen, rein ins Wasser, nur du nicht, Wohlgemuth“, kommandierte<br />
Herr Richter, „wenn du dich ausgezogen hast, kommst’ erstmal zu mir, hab’ was<br />
mit dir zu bereden.“<br />
„Du, der hat heute wirklich was gegen dich“, raunte Ludwig, „warst ihm nicht gefällig“?“<br />
„Wie ‚gefällig‘? Was meinst du damit?“<br />
„Komm, war ein Scherz. – Du hör mal, Konni, magst’ mich? Kann ich dich heute Nacht<br />
wieder ficken?“<br />
„Seid wann fragst du erst? Das kommt dir doch sonst auch nich’ in den Sinn.“<br />
„Ja, ja, aber du machst heute keinen Guten. Hattest du heute früh wirklich nur Kopfschmerzen?“<br />
„Ja, ja, mehr war nich’“<br />
„Du, jetzt wär’ mir nach Bumsen. Wollen wir uns nachher kurz mal in’ Wald absetzen?“<br />
Ludwig grad die Frage gestellt, kam Herbert ran: „Du, Ludwig, kann ich mich mit Konni<br />
nachher mal für ’ne Weile im Wald verkrümeln?“<br />
„Nich’ einzeln, aber mitkommen kannst du. Bin aber zuerst dran, hab’ ich grad eben mit<br />
Konni ausgemacht.“<br />
„Auch gut. Teilen wir ihn uns mal wieder brüderlich.“<br />
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