Freiwild. Zum Beispiel Konrad - Hermann W. Prignitzer

nen Dreck durch die Rippen zu schwitzen“, und „Wichsgriffel“ zu kriegen wäre schon mit
dreizehn nicht nach seinem Geschmack gewesen, und nötig hätte es auch nie getan, da hätten
sich immer genug gefunden, ihm „den Druck von den Eiern zu nehmen.“ – „Na ja, ich nehm’
mal an, hier wird sich für mich bald auch wieder was finden. Is’ doch ein Heim wie das andere.
Da kenn’ ich mich aus. Dies hier is’ ja wie gesagt schon mein drittes. Wer is’ denn unter
euch momentan im Schlafsaal der, nach dem es geht?“
„Hier, der hier. Ludwig.“
„Aha, du also.“
„Ja, ja, ich.“
„Und? Kommst’ dadurch jederzeit ohne Handbetrieb aus?“
„Na sicher.“
„Und was für Jungs bevorzugst du so? Eher die Niedlichen? Wo man sich leichter ’n
Mädchen vorstellen kann?“
„Na klar, was denn sonst. Ich bin doch kein Homo.“
„Geht mir genauso. Kommt man hier nachts auch an die Jüngeren ran?“
„Nee, kommst du nicht. Im Schlafsaal haben wir nichts zu befürchten, kontrolliert werden
wir nachts nicht, da können wir auch schnattern, nach draußen dringt nichts, da kommt ja erst
noch die Garderobe mit den Spinden, aber nachts raus auf’n Flur, da kriegt dich die Aufsicht
am Arsch. Das sieht die von ihrem Kabuff aus, wenn einer über den Flur läuft.“
„Und wo sind die Toiletten?“
„Da, wo du auch in der Waschraum kommst, gleich hinterm Schlafsaal. Da musst du
nicht über den Flur.“
„Das war im letzten Heim leider auch so. Nur im ersten nicht, und dadurch traf man da
nachts öfter mal auch auf welche aus den anderen Schlafsälen. Was aber auch hieß, dass man
sich als junger Spund gehörig vorsehen musste, wenn man nich’ grad gebaut war wie ich. Ich
hab’ schon mit elf einem Fünfzehnjährigen eine geballert, dass er zu Boden gegangen is’. Mir
konnt’ keiner was, was ich nicht wollte, wenn ihr versteht, was ich meine.“ – Na und ob, wir
waren doch nicht blöd, wir fünfundzwanzig oder sechsundzwanzig Jungs aus dem Schlafsaal
drei. Die meisten die Schule schon hinter sich. Die machten in unserem Patenbetrieb VEB
Landmaschinenbau „Roter Stern“ irgendeine Lehre. Wurden in einem der dort nötigen Gewerke
ausgebildet, oder sie lernten in der Verwaltung einen „Büro-Beruf“, wie es abwertend
hieß, denn Schlosser oder Dreher oder Eisengießer oder Elektriker war da als künftiger Beruf
für einen Mann schon „was Genaueres“ als zum Beispiel Sachbearbeiter oder auch Lohnbuchhalter,
was doch eher Berufe für „Muttis“ waren, und die sie erlernten, gehörten denn
auch nahezu alle zu den „Niedlichen“, wie Herbert die körperlich eher Schwächlichen genannt
hatte, wozu auch ich damals gehörte, obwohl ich nicht im Begriff war, einen „Büro-
Beruf“ zu erlernen. Ich durfte wie gesagt auf die Oberschule gehen, und dies gemeinsam mit
Ludwig Bundschuh, ein Ass in Mathe, Physik und Sport(!), und dann war noch einer unter
uns, der aufs Abi zusteuerte, der Karsten Knopf; auch ein Ass in Mathe und Physik, aber kein
Sport-Ass, weil körperlich nicht gerade ein kerniger Kerl, und es sah auch nicht danach aus,
als würde das noch werden. Nee, da würde sich wohl nicht mehr groß was tun, nicht mit dem
zarten Knochenbau, der Karstens Statur bestimmte, auf die Herbert, grad angekommen, umgehend
ein Aug’ gehabt hatte, was mir deshalb so schnell aufgegangen war, weil ich meinerseits
umgehend ein Aug’ auf Herbert hatte, als der uns im Speisesaal, wir schon mitten im
Mampfen, von Strassner vorgestellt worden war: Herbert Granzow, sechzehn und Eisengießerlehrling
im zweiten Jahr; bisher im Nähmaschinenwerk in W. gelernt, würde er nun,
schlechter Führung wegen zu uns überstellt, seine Lehre in unseres Heims Patenbetrieb fortsetzen.
Letzter Versuch, hatte Strassner kund getan und hinzugefügt, er hoffte für Granzow,
der ergriffe die Chance. Wenn nicht... Gott ja, das kannten wir zur Genüge, womit nun wieder
gedroht wurde: Damoklesschwert Jugendwerkhof. Heimkindern, warum auch immer zu solchen
geworden, hing der Geruch von Verderbtheit an. Bei meinen Schulkameraden, die ein
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