Freiwild. Zum Beispiel Konrad - Hermann W. Prignitzer
Freiwild. Zum Beispiel Konrad - Hermann W. Prignitzer
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mal zukommen lassen. Ja, ja, ich weiß, was dir besonders guttut.“ Und was mir in Wahrheit<br />
stets besonders schwerfiel, es auszuhalten. Das Reindreschen und ganz und gar wieder raus,<br />
und das Ganze von vorn. Wenn Rabelt darauf verfiel, wähnte ich mich am Marterpfahl, aber<br />
jeder andre quälte mich mit dieser Masche ebenfalls, und Strassner, alles nicht neu, zählte mal<br />
wieder mit, und nach dem neunten Mal machte seine Geilheit damit endlich ein Ende, wie<br />
besessen losjachtern muss’ er, und wenn er aus meiner Miene hätte was herauslesen wollen,<br />
hätte er mich angucken müssen, statt auf die Wand hinterm Kopfende des Sofas zu glotzen.<br />
Aber als Strassners Wollust mir das Gedärm geflutet hatte, hieß es: „Deinem Gesichtsausdruck<br />
mal wieder nur abgelesen, wie vollkommen du mit mir in die Lust kommst, und immer<br />
hast du ein Quäntchen Dich-Wundern in der Miene, so als wäre es dir das erste Mal und du<br />
könntest dein Glück gar nicht fassen, dass ich dir meine Aufmerksamkeit zuteil werden lasse.<br />
Vielleicht bist du ja wirklich nich’ verdorben, und die andern waren Fehlentscheidungen der<br />
Natur. Nicht tauglich für das Erdendasein. Viel zu schwach, hat die Natur wieder ausgespuckt.<br />
Darwin. Wahrscheinlich bezieht es sich auch auf das Bumsen. Wer es nicht kann oder<br />
nicht verträgt, wird ausgesondert. Na da gehören wir beide nicht dazu. Ich so rum nicht, du so<br />
rum nicht. Und das sollten wir uns jetzt gleich noch mal gegenseitig beweisen. Ich weiß doch,<br />
dass du erst vollkommen im Glück schwimmst, wenn ich dich ins absolute Aus gefickt habe.<br />
Liegst da wie ein ausgewrungenes Wäschestück oder wie ein in Fetzen gegangener Schlüpper,<br />
‚Schlüpper‘ passt gut ins Bild. Na dann mal, sei dienlich, und dir wieder in die Visage<br />
gucken lassen –“<br />
Eine Stunde später ward ich entlassen, nicht die Treppe runterfallen sollt’ ich; dummes<br />
Geschwätz, umbringen hätt’ ich ihn mögen, den Strassner. Und in unserer Schlafsaaltoilette<br />
fand ich Herbert Granzow vor, und dem liefen die Tränen. Karsten wegen, was sonst. – „Du,<br />
wenn er’s geschafft hätte abzuhauen, das hätte mich glücklich gemacht, Konni. Wäre traurig<br />
gewesen, aber ich hätt’s ihm von Herzen gegönnt, dass er den Scheiß hier los ist. Aber das<br />
jetzt. Warum, Konni, warum? Hier is’ es zum Kotzen, ja sicher, aber doch wieder nicht so,<br />
dass man sich... du Konni, Karsten hat kein Zug erfasst, mein Karsten war viel zu gescheit, als<br />
dass er eine Gefahr nicht abschätzen konnte, und außerdem: was sollt’ er am Bahndamm<br />
rumlungern? Dass Karsten, der im Sport ’ne totale Niete war, auf einen fahrenden Zug aufspringen<br />
wollte, dabei Pech gehabt hat... nee, auch das nicht, mein Karsten ist nicht verunglückt,<br />
Konni, die sagen uns hier bloß nich’ die Wahrheit.“<br />
„Hast recht, Herbert. Karsten hat sich mit voller Absicht vor den Zug geworfen, der hat<br />
sich umgebracht. Eben von Strassner gehört.“<br />
„Das hat er dir anvertraut?“<br />
„Ja, guck nich’ so erschrocken, Strassners Verhalten mir gegenüber ist für mich keine<br />
Schande, ich hab’ mich bei ihm nicht eingeschmeichelt.“<br />
„Nein, so was denk ich ja auch gar nicht, Konni Aber sag mal, hat er gesagt, ob er weiß,<br />
warum sich Karsten... umgebracht hat?“ Und nun machte ich, bedenke ich die Folgen, die<br />
wohl größte Dummheit meines Lebens: ich brach mein Schweigen, ich antwortete: „Wissen<br />
tut Strassner gar nichts, aber er hat ’ne Vermutung. Die Natur hat den Karsten ausgesondert,<br />
weil er zu schwach war, das Gebumstwerden auszuhalten.“<br />
„Wie bitte?“<br />
„Du, komm mal hier weg. Wir schleichen uns ganz nach hinten in’ Park. Hinter diese<br />
dornigen Büsche. Da haben wir unsere Ruhe. Ich hab’ dir viel zu erzähl’n, Herbert.“<br />
Drei Tage später fand man Strassner und Rabelt tot auf, sie waren jeweils in ihrer Wohnung<br />
erstickt worden. Und der Verdacht fiel wohl nahezu umgehend auf Herbert Granzow,<br />
weil er im Heim unauffindbar war, war abgehauen. Und Fuhrmann, gerade in Urlaub gefah-<br />
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