Freiwild. Zum Beispiel Konrad - Hermann W. Prignitzer
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„Na dann wollen wir mal hoffen, dass hier keiner von uns beiden eines Tages derart im<br />
Finstern steht, Konni. Drauf anlegen tun sie’s hier. Oder nee, die legen es auf gar nichts an.<br />
Solche Männer toben sich an uns lediglich ihr Ich aus. Die kennen kein Du, kein Gegenüber.<br />
Die haben alles aus ihrer Gedanken- und Gefühlswelt verbannt, was ihrem Egoismus Grenzen<br />
setzen könnte.“<br />
„Dann sind sie hier ja richtig.“<br />
„Ich glaube, die sind überall richtig. Wo solche hinkommen, machen sie es sich richtig.“<br />
„Zwanghaft, was?“<br />
„Ja, daran hab’ ich auch schon gedacht, dass Egoismus von einem bestimmten Stadium<br />
an womöglich geradezu zwanghaft weiter wuchert. Aber das möchte ich trotzdem nicht gelten<br />
lassen. Weil das solche dann ja letztlich entschuldigen würde. Nee, Konni, ich werd’ mich<br />
hüten, solchen wie dem, wo ich gleich anzutanzen habe, einen Freibrief auszustellen oder<br />
Absolution zu erteilen.“<br />
„Vorsicht, der kleene Roman.“<br />
„Du, Konni, darf ich dich mal was fragen?“<br />
„Na klar, was willst’n wissen, Roman?“<br />
„Na ob da am See im Schilf wirklich Wasserratten rumschwimmen, wie du gesagt hast?“<br />
„Du hast ihm gesagt, dass es da Wasserratten gibt?“<br />
„Ja, hat sein müssen. Richter hat Nachmittag gewollt, dass er und ich dem Roman was<br />
beibringen, wozu andre in seinen Alter noch nicht taugen. Sollt’ er auch für sich behalten.“<br />
„Das hätt’ ich auch gemacht. Geheimnisse zu haben find’ ich spannend.“<br />
„Aber auf alles musst’ du dich trotzdem nicht einlassen, was die Erzieher so von dir<br />
wollen.“<br />
„Da hat Konni recht, Roman. Und das mit den Wasserratten stimmt. Ich konnt’ mich bloß<br />
nicht mehr gleich dran erinnern. Bin schon lange nicht mehr durch’s Schilf. Aber Konni hat<br />
die Wahrheit gesagt, da gibt’s solche Viecher.“<br />
„Und mitunter sind sie bissig.“<br />
„Ja, das auch, Roman. Geh mal da nich’ rein. Auch mit Herrn Richter nicht. So eine Wasserratte<br />
hat vor niemandem Respekt. Die macht sich nichts daraus, dass da einer ein Erzieher<br />
is’. Wenn die einen Rappel hat, beißt sie trotzdem.“<br />
„Gut, weiß ich Bescheid. Geh ich wieder zu andern.“ Ging er, flitzte ab, der kleene Bengel.<br />
– „Auweia, das war knapp“, sagte Karsten, „beinahe hätte ich nicht begriffen, worum es<br />
ging.“<br />
„Ja, ja, das war heute Nachmittag auch noch. Richter wollt’ den Kleenen ins Schilf lotsen,<br />
und ich sollt’ auch noch Beihilfe leisten. Und da bin ich auf die Wasserratten gekommen.<br />
Richter ist zwar wütend geworden, aber dem Roman hatt’ ich so viel Angst gemacht, dass er<br />
zu nichts mehr zu bewegen war. Womit ich ihn natürlich nur für den Augenblick vor was bewahrt<br />
habe. Richter wird garantiert nicht locker lassen.“<br />
„Ist anzunehmen nach allem, was du mir grad erzählt hast. Und weißt du, dass ich Richter<br />
so was nicht zugetraut hätte. Und die Jahre, die ich im Schlafsaal eins zugebracht habe, da<br />
gab’s Richter hier noch nicht. Da war er noch irgendwo Pionierleiter. Zu uns kam er erst, da<br />
war ich schon elf und grad einen Schlafsaal höher gerückt.– Guck mal, da hinten, Konni.“<br />
„Ja, ja, da läuft er rum, das Schwein.“<br />
„Du, der nimmt sich schon wieder den Roman beiseite.“<br />
„Ja, sag’ ich doch, wenn Richter sich auf den eingeschossen hat –“<br />
„– du, komm mal hinterher. Der schleppt ihn tiefer in’ Park rein.“<br />
„Hier macht er trotzdem nichts mit ihm. Wird ihn nur mürbe quatschen. So lange auf den<br />
Jungen einreden –“<br />
„– bis der sich von allein die Hose auszieht?“<br />
„Oder vor lauter Neugierde irgendwann bei Richter zu fummeln anfängt. Und dann hat<br />
der ihn im Kasten.“<br />
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