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Freiwild. Zum Beispiel Konrad - Hermann W. Prignitzer

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„Du meinst, dann heißt es: ‚Du machst jetzt alles, was ich will, oder ich melde Herrn<br />

Strassner, dass du mir an den Penis fassen wolltest.‘?“<br />

„Denkbar wär’s.“<br />

„Du, die verschwinden bei Rabelt.“<br />

„Was nicht heißt, dass sie zu ihm hochgehen. Er kann mit dem Jungen auch in die Werkstatt<br />

gehen oder ins Möbellager.“<br />

„Traust’ dich? Wollen wir hinterher?“<br />

„Nee, Karsten, lass sein. Wir können hier sowieso nicht Schicksal spielen.“<br />

„Hast recht, seh’ ich ein.“<br />

6<br />

Ich im heimeigenen IFA F8. Strassner fuhr ihn; Freitag Vormittag war’s. Mittags würden<br />

wir angeblich in Leipzig sein, nachmittags hatte ich angeblich Proben und Samstag und<br />

Sonntag angeblich je einen Auftritt beim Pressefest der Leipziger Volkszeitung. Ich, der Junge<br />

mit der „noblen Stimme“ und auf Betreiben des Musiklehrers der Oberschule seit knapp<br />

zwei Jahren zweimal wöchentlich Gesangs- und Klavierunterricht bei Carlos Morgenthaler,<br />

einem ehemaligen langjährigen Chortenor mit Solo- und Repetitorverpflichtungen am Drei-<br />

Sparten-Theater des sächsischen Nests. Wobei das Klavierspielen für mich nicht neu war, ich<br />

brachte bereits eine beträchtliche diesbezügliche Fingerfertigkeit mit ins Heim; meine Großmutter<br />

mütterlicherseits eine Klavierlehrerin; und mit viereinhalb musst’ ich ran, und ich<br />

konnt’ noch keinen Satz entziffern, da verstand ich mich schon aufs Notenlesen. – Glückliche<br />

Zeiten; entsetzlich lang war’s her, so kam es mir inzwischen vor. Alles unwiederbringlich<br />

dahin.<br />

Ich im heimeigenen IFA F8, Strassner fuhr ihn; Freitag Vormittag war’s. Mittags würden<br />

wir in der Dübener Heide sein. Auf dem Wochenendanwesen eines Wolfgang Wegner, Erster<br />

Sekretär der SED-Parteigruppe des Leipziger Leitbetriebs einer VVB, einer Vereinigung<br />

Volkseigener Betriebe; Jahre später wurden solche (uneffektiven) Betriebskolosse ‚Kombinat‘<br />

genannt, aber da war dieser Wolfgang Wegner inzwischen Stellvertretender Minister eines<br />

Industrieministeriums und ich sah ihn nur noch ab und an im Fernsehen, Aktuelle Kamera,<br />

oder auf Pressefotos. Was seitens Wolfgang Wegners so nicht gewollt war. Der Mann wurde,<br />

ich das Abitur gemacht und einen Studienplatz an der Leipziger Musikhochschule ergattert,<br />

mein mir übergestülpter Zimmerwirt. Dagegen war kein Ankommen. Was wollt’ ich? Lieber<br />

in ein Studentenwohnheim ziehen? Dort einem Anderen einen der raren Plätze wegnehmen,<br />

wo ich einen solchen doch gar nicht nötig hatte? Und ich hatte es ebenfalls nicht nötig, irgendwo<br />

zur Untermiete zu hausen, eines der ebenfalls raren Privatzimmer zu blockieren. –<br />

„Wie wäre es mit Dankbarkeit, Wohlgemuth? Genosse Wegner hat diese Patenschaft übernommen,<br />

damit es dir, einem jungen Menschen ohne familiären Anhang, auch weiterhin an<br />

nichts fehlt, obwohl du nun in Kürze der Geborgenheit unserer Heimgemeinschaft verlustig<br />

gehst“, eröffnete mir Herr Fuhrmann, zu dieser Zeit bereits seit nahezu zwei Jahren unseres<br />

Heims Direktor. Und ich zog also Ende August ’59 in Leipzig zu dem Wegner in die Tschaikowskistraße.<br />

Angenehm zentral gelegen diese geräumige Altbauwohnung, die Wegner mit<br />

seiner Frau bewohnte, die aber ihre eigenen Wege ging, und zwar mit einem weitaus jüngeren<br />

Liebhaber, der in dieser Wohnung seit einigen Jahren sein zweites Zuhause hatte; zunächst<br />

Wolfgang Wegners wegen, dann dessen Frau zugefallen; die hatte ihrem Mann seinen hübschen<br />

Gespielen namens Joachim sozusagen abgeknöpft. Und in diesen schillernden Verhältnissen<br />

lebte ich alle meine fünf Studienjahre hindurch. Dann stand mir nichts mehr im Wege,<br />

mich Wegner zu entziehen, und ich entzog mich denn auch; fuhr meinen Kontakt auf Null<br />

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