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Freiwild. Zum Beispiel Konrad - Hermann W. Prignitzer

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Wäre überhaupt ’ne gute Idee. Muss ich Strassner mal vortragen. Warum so was nich’ einführen.<br />

So als Strafmaßnahme. Bist frech geworden, musst das wieder gutmachen. Denkt sich<br />

kein Mensch was dabei. Ungebührliches Verhalten an den Tag gelegt, und rums hast du dreißig<br />

Morgende zum Schuh putzen anzutreten. Was hältst du davon? Würde dir das bei deinem<br />

so mächtig ausgeprägten Drang nach dem Geficktwerden nicht guttun? Kriegtest du jedenfalls<br />

bedeutend regelmäßiger anständig was verpasst. Bist doch jetzt viel zu oft auf die unausgegorenen<br />

Frischlinkspimmel im Schlafsaal angewiesen. Das is’ doch nichts Halbes und nichts<br />

Ganzes. Wer kann dir denn bei euch schon was Ausgewachsenes in den Hintern schieben.<br />

Sind doch die Wenigsten. Und du ständig rattig. Nicht wahr, Wohlgemuth? Wünschst dir<br />

doch schon wieder was? Hoffst doch darauf, dass ich mich jetzt noch mal über dich rüberschiebe,<br />

ihn dir reinschiebe. Nicht wahr, is’ doch so?“<br />

„Ich denk, ich darf schlafen.“<br />

„Ja, ja, darfst du ja auch. Los, pack dich auf den Bauch. Mach mir nichts vor, du stinkst<br />

doch schon wieder vor Geilheit.“<br />

„Nein.“<br />

„Na und ob, erzähl mir doch nichts, und ich bin wieder auf Zack, passt doch prima.“<br />

„Nein, hör’n Sie auf, lassen Sie mich los, ich leg mich nich’ auf’n Bauch.“<br />

„Na das wäre noch schöner, du Dreikäsehoch. Was ist denn heute bloß in dich gefahr’n. –<br />

Du, hör’ auf dich zu klammern, geh mir von der Schulter, nimm deine Hände weg, du weißt<br />

ganz genau, au verdammt, na so was, du bist wohl verrückt, das wirst du mir büßen, du Miststück.<br />

Das gibt’s doch nicht, du hast mir meine Schulter demoliert. Au verdammt, tut das<br />

weh. Das darf doch nicht wahr sein, du Schwein, du. Na, los, die Kompresse, mach hin, beeil<br />

dich.“ – Ja, ich beeilte mich, aber die Kompresse blieb im Eisschrank, die Mullbinde im Kasten.<br />

Ich grapschte stattdessen nach meinem Nachthemd, und dies mir geschnappt, rannte ich<br />

über den Flur und zur Wohnungstür, und schon war ich raus, und runter flitzt’ ich die Treppe,<br />

auf riss ich die Haustür, und somit stand ich im Freien, ich barfüßig, ich nackt, und ich sprang<br />

hinter die nächste Hecke, zerrte mir in aller Eile das Nachthemd über, lief tiefer rein in den<br />

einstigen Schlosspark, kam an, wo ihn kaum noch Leuchten erhellten, die meisten defekt, und<br />

alles verwahrlost, und am verrottenden Rest eines ehemaligen Springbrunnens vor längst vergammelter<br />

Grotte schnappt’ ich nach Luft, und ich kam zur Besinnung: Was ich tat, im Begriff<br />

war zu tun, war idiotisch; wohin sollte das führen, wo konnt’ ich denn hin? Und an der<br />

hinteren Parkmauer, von dort, wo ich stand, nicht mehr weit, da quietschte die kleine Eisenpforte,<br />

durch die man, unser Heimanwesen durchquert, auf die Meiereigasse kam, des Grundstücks<br />

rückwärtige Begrenzung. Und ich wusst’, ich müsst’ mich verstecken, wer immer jetzt<br />

kam, der dürft’ mich nicht sehen, aber ich war außerstande, ich war wie gelähmt, und zudem<br />

war mir ganz plötzlich alles egal. Und nun kam auch schon wer, kam geradelt, und dies auf<br />

dem Weg von der Pforte her geradeaus Richtung Heim, und in verräterischem Nachthemdweiß<br />

stand ich von selbigem Weg gerade mal fünf, sechs Schritte entfernt, trotz Dunkelheit<br />

Tomaten auf den Augen, wer mich nun nicht sah, den ich jetzt sah, auf dem Fahrrad der Herr<br />

Richter, einer unserer Erzieher, einer von den netteren, und einer von denen, die nicht im<br />

Heim wohnten, und auf dem Fahrrad vorn auf der Stange, dem Herrn Richter zwischen den<br />

Armen, saß mit dem Rücken zu mir ein Junge, und klein der Junge, konnt’ nur einer aus dem<br />

Schlafsaal der Steppkes sein, und der Herr Richter fuhr mit dem Jungen an mir vorüber, ich<br />

ward nicht entdeckt. Was mich nicht aufatmen machte; ungemütlich war mir zumute, verloren<br />

kam ich mir vor, und jeden Moment konnte Rabelt auftauchen, es sei denn, er dachte, ich wäre<br />

rüber in den Schlafsaal; der Nachtwache, an der ich vorbei gemusst, gesagt, ich würde bei<br />

Herrn Rabelt nicht mehr gebraucht, und die Nachtwache, ich wusst’ nicht, wer dran war, hätt’<br />

mir geglaubt, obwohl ich barfuß war, zudem nur im Nachthemd, sonst ohne Klamotten, was<br />

ja nicht grad aussah nach geregeltem Zurückkommen. – Ungemütlich war mir zumute, verloren<br />

kam ich mir vor in dieser schwülstickigen Sommernacht; wie spät mochte es sein?, so<br />

gegen zwei, halb drei?, ach Gott, da ruhten im Schlafsaal, ich wusst’s, längst selbst die Em-<br />

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