Schauplaetze_SH.pdf
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198 Ansgar Schanbacher<br />
Die erste Elmshorner Gerberei wurde 1822 von Isaac Sussmann gegründet<br />
und galt bereits 1838 als die größte Lederfabrik Schleswig-Holsteins. 27 Um 1835<br />
beschäftigte diese „Fabrik“ jedoch nur sieben Arbeiter. Der Materialumsatz war<br />
dennoch beachtlich. Jährlich wurden in diesem Betrieb 2.000 Stück Sohlleder,<br />
3.000 Stück Kalbleder, 2.000 Stück Schafleder, 800 Stück Rossleder, 1.200 Stück<br />
Kuhleder und ‚etwas Wildleder‘ hergestellt. Der Verbrauch an Betriebs- und Hilfsstoffen<br />
betrug 3.000 t Lohe 28 , 12 t Kalk, 10 t Teer und 300 Pfund Öl. 29<br />
Entsprechend steigende Produktionszahlen und Materialumsätze können für<br />
die nächsten Jahrzehnte angenommen werden. Dabei ist wahrscheinlich, dass die<br />
Lohe z. B. als Abfallprodukt bei der Holzverarbeitung anfiel und möglicherweise<br />
über den Hamburger Hafen eingeführt wurde. Eigene Eichenschälwälder, wie sie<br />
etwa in Sachsen vorhanden waren, werden für Elmshorn nicht erwähnt. 30 Während<br />
der Herstellung von Leder entstehen beim Einsatz von Salzen wie z. B. Alaun<br />
sowie von Salzsäure und Schwefel verschiedene Schadstoffe, die in das Wasser<br />
eingeführt werden. In der sog. Wasserwerkstatt werden die meisten Arbeitsgänge<br />
der Lederherstellung durchgeführt. Dazu gehört das Weichen, bei dem die Häute<br />
von Blut und Schmutz gereinigt, das Konservierungsmittel (Salz) ausgespült, lösliche<br />
Eiweißstoffe entfernt und in den Fluss geleitet werden. 31 Im nächsten Schritt<br />
wird die Haut durch das sog. Äschern aufgeschlossen, um die Haare entfernen zu<br />
können. Dabei fallen Sulfide und Kalk an. Beim späteren Entkälken und Beizen<br />
werden verbliebene mineralische, darunter Schwefelverbindungen, und organische<br />
Stoffe entfernt. Beim Gerben selbst werden schließlich die einzelnen Häute in<br />
Schichten mit Gerbstoffen in die Gerbgrube gelegt und Wasser bzw. Lohbrühe<br />
hinzugefügt. Die Grube und die darin befindlichen Stoffe waren nicht ungefährlich.<br />
„Zu einem Arbeitsunfall mit Todesfolge konnte der Sturz in eine Gerbgrube<br />
werden.“ 32 Je nach Gerbverfahren unterscheiden sich dabei die Verarbeitungsmethoden.<br />
Nach Ende des Gerbprozesses, wenn die Häute genügend Gerbstoff aufgenommen<br />
haben und damit zu Leder geworden sind, wird die Grube entleert.<br />
Ist die Wirkung der Abwässer einzelner Gerbereien in abflussreichen Gebieten<br />
noch marginal, konzentrierten sich in Elmshorn viele große Gerbereien bzw. Lederfabriken<br />
an einem langsam fließenden und kleinen Gewässer. Hier konnte es<br />
nun sehr schnell zu einer bemerkbaren Verschmutzung der Umwelt kommen.<br />
Diese wurde durch die ab 1905 verbreitete Chromgerbung weiter verstärkt. 33 In<br />
diesem Zusammenhang kann mit einem Sprichwort auf den starken Geruch der<br />
27 Danker-Carstensen (2006), S. 71.<br />
28 Gerbrinde. Diese Zahl wird auch von B. Böhnke (1997), S. 41, wiederholt, scheint aber viel zu<br />
hoch zu sein. Vgl. G. Groß (2008), S. 21. Nach seinen Angaben wären mit Hilfe von 3.000 t Lohe<br />
etwa 500 t Leder hergestellt worden.<br />
29 Danker-Carstensen (2006), S. 77.<br />
30 Vgl.: Groß (2008), S. 22.<br />
31 Vgl. hier und im Folgenden: Ebd., S. 18-26; K.-U. Rudolph et al. (1995), S. 640-641.<br />
32 Böhnke (1997), S. 49.<br />
33 Danker-Carstensen (2006), S. 199. Dies traf aber in Elmshorn wohl nur in geringerem Maße zu, da die<br />
Chromgerbung laut Böhnke noch in den 1930ern selten angewendet wurde. Vgl. Böhnke (1997), S. 48.