Schauplaetze_SH.pdf
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Robert Gajcevic<br />
Tatsache, dass Brokdorf auf Grund der Größenordnung der Proteste, aber auch<br />
wegen der Intensität an Gewalt, mit der Atomkraftgegner und Polizei einander bekämpften,<br />
zu einem Schauplatz historischer Ereignisse wurde. Die Gemeinde verdankt<br />
diesen Geschehnissen bis heute eine nicht erwünschte, zweifelhafte bundesweite<br />
Bekanntheit. Und diese wird sicher nicht abnehmen, solange die Wilstersche<br />
Zeitung Titel wie den folgenden veröffentlichen kann: „Kernkraftwerk Brokdorf mit<br />
Spitzenleistung weltweit auf Platz 3“ 19 .<br />
3 Der Schauplatz Brokdorf<br />
Joachim Radkau schreibt in seinem 1983 erschienenen Werk „Aufstieg und Krise<br />
der deutschen Atomwirtschaft“, dass die Kerntechnik seit zehn Jahren Gegenstand<br />
einer öffentlichen Kontroverse sei und auf beiden Seiten, also bei Gegnern und<br />
Befürwortern, eine große Skepsis darüber bestehe, ob „Diskussionen über dieses<br />
Thema überhaupt möglich und sinnvoll sind.“ 20 Als zu verhärtet beschreibt Radkau<br />
die Positionen der beiden Lager. Die Gegner sähen in der Atomenergie einen<br />
„Eckpfeiler des gesamten gegenwärtig herrschenden Wirtschafts- und Gesellschaftssystems“,<br />
welches sie ablehnen, während die Befürworter den Gegnern<br />
vorwerfen, „die Kerntechnik diene lediglich als Prügelknabe für einen irrational<br />
motivierten Angriff auf die bestehende Zivilisation“ 21 . Noch 1981 hat Werner<br />
Meyer-Larsen von einem „Glaubenskrieg um die Kernenergie“ 22 gesprochen.<br />
3.1 Erste große Demonstrationen gegen das AKW Brokdorf im Jahre 1976<br />
Der Verdacht, dass es den Demonstranten „nie nur um die Atomkraftwerke“ gegangen<br />
sei, sondern „mindestens ums ‚System‘“ wurde wiederholt geäußert. 23 Es<br />
ist wohl nicht zu leugnen, dass einige politische Gruppen den Kampf gegen die<br />
Kernenergie tatsächlich auch als einen Kampf gegen das kapitalistische System<br />
verstehen wollten, nur gilt das für die Mehrheit der Atomkraftgegner mit Sicherheit<br />
nicht. Vielmehr kam es bei den Großdemonstrationen zu einer Vermischung unterschiedlichster<br />
Motivationen in Bezug auf den Protest. Um die Gesundheit ihrer<br />
Kinder besorgte Mütter und Väter, Umweltschützer, Bauern der Region, politisch<br />
motivierte Intellektuelle, eine bunte Vielfalt fand sich zusammen, um trotz aller<br />
Heterogenität innerhalb der Atomkraftgegnerschaft einer von großen Teilen empfundenen<br />
Angst vor den Folgen der Strahlenbelastung für die eigene Gesundheit,<br />
aber auch für die naturale Umwelt, Ausdruck zu verleihen. Nur ein kleiner Teil der<br />
19 http://www.shz.de/nachrichten/lokales/wilstersche-zeitung/artikeldetails/article//kernkraft<br />
werk-brokdorf-mit-spitzenleistung-weltweit-auf-platz-3.html?print=1&cHash=651 8603c92, Abruf:<br />
04.03.2011.<br />
20 Radkau (1983), S. 13.<br />
21 Ebd., S. 13.<br />
22 Meyer-Larsen (1981), S. 150.<br />
23 Drieschner (2006), S. 1.