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84<br />

Andreas Kieseler<br />

„Sie ist aber so eine so stark bevölkerte Stadt, daß viele sich wundern, daß eine<br />

solche Aufnahmefähigkeit, obwohl hinreichend groß, eine derartige Menschenmenge<br />

fassen kann […]. Doch das ist nicht verwunderlich, weil nicht allein die<br />

hochragenden Häuser gestopft voll von Bewohnern sind, sondern auch unendlich<br />

viele Keller, so daß kein Winkel da ist, der nicht von Einwohnern besetzt<br />

ist.“ 46<br />

Hinsichtlich der Stadthygiene herrschten noch ‚mittelalterliche‘ Verhältnisse:<br />

Innerstädtische Grundwasserbrunnen befanden sich oft in gefährlicher Nähe zu<br />

den Kloaken; Schlachthausabfälle wurden dort in die Flüsse geleitet, wo mittels<br />

Schöpfwerken Flusswasser für die Stadt gehoben wurde; den Stadthäusern waren<br />

oftmals noch Ställe angegliedert und die Abfallentsorgung durch Abzugsrinnen<br />

und -gräben wurde noch nicht konsequent durchgeführt. Zusammen mit der hohen<br />

Wohndichte begünstigten diese Umstände die rasche Ausbreitung von Krankheiten<br />

und Seuchen. 47<br />

Das Umfeld der Stadt hingegen war zu jener Zeit kaum bebaut und noch weitgehend<br />

agrarisch geprägt: Äcker, Gärten, Weiden und Einzelhöfe bestimmten das<br />

Bild. Aus militärischen Gründen – im 16. Jahrhundert wurde die Lübecker Stadtbefestigung<br />

ausgebaut – war die Bebauung der engeren Stadtflur verboten. 48 Erst<br />

zum Ende des Jahrhunderts verdichteten sich die Vororte allmählich durch die<br />

Ansiedlung von Gewerben, für die die Innenstadt nicht ausreichend Raum bot<br />

oder die innerhalb der Stadtmauern nicht geduldet wurden. Hierzu gehörten v. a.<br />

die Reepschläger mit ihren ausgedehnten Reeperbahnen, Leim- und Pechsiedereien,<br />

Bleichen, Ziegeleien und die Schweinekoben der städtischen Bäcker. 49 Auch St.<br />

Lorenz, die westlich vor dem Holstentor gelegene Vorstadt, blieb bis zur Aufhebung<br />

der Torsperre 1864 klein und agrarisch geprägt.<br />

Hier, abseits und zum Schutz der städtischen Gesellschaft, entstanden jedoch<br />

auch die Spitäler für Menschen mit infektiösen Krankheiten, so das bereits um<br />

1240 vor dem Mühlentor eingerichtete St. Jürgen-Siechenhaus, das Leprakranke<br />

aufnahm, 50 oder das nach der Pestwelle von 1376 nebst Friedhof und Kapelle errichtete<br />

Pockenhaus vor dem Burgtor. Als im Jahre 1597 erneut eine schwere Pestepidemie<br />

– wohl die 18. seit dem ‚Schwarzen Tod‘ von 1350 51 – über die Hansestadt<br />

hereinbrach, legte man auf dem damals noch dünn besiedelten Holstenfeld,<br />

direkt vor dem gleichnamigen Tor im Westen der Stadt, einen Friedhof für die<br />

46 Zit. nach Hauschild (2008), S. 359.<br />

47 Hauschild (2008), S. 359; zu Trinkwasserversorgung und Abfallbeseitigung siehe Dirlmeier (1986).<br />

Parasitologische Untersuchungen von Inhalten bei Stadtkerngrabungen entdeckter mittelalterlicher<br />

Kloaken zeigen, wie stark eine mittelalterliche Stadtbevölkerung v. a. mit Darm- und<br />

Eingeweideparasiten durchseucht war (Herrmann (1986), S. 160).<br />

48 Hauschild (2008), S. 363.<br />

49 Scheftel (2008), S. 794.<br />

50 Hoffmann (2008), S. 288.<br />

51 Zusammengestellt nach Ibs (1994), S. 206 f., und Hanssen (1917), S. 1024 ff.; vgl. auch Graßmann<br />

(2011), S. 303.

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