Schauplaetze_SH.pdf
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Andreas Kieseler<br />
tenlos an das Spital geliefert worden waren. Diese Zustände waren darauf zurückzuführen,<br />
dass die Bediensteten, oftmals Arme und Bürgerrechtslose, zur Krankenpflege<br />
gezwungen wurden. Hierfür waren sie weder ausreichend geschult noch<br />
psychisch und moralisch geeignet, ein Teil des Personals rekrutierte sich aus sozialen<br />
Randgruppen, die die vergleichsweise hohen Löhne anzogen. 71<br />
5 Bevölkerungsverluste und wirtschaftliche Folgen<br />
Im Verlauf eines Pestumzugs gab es bestimmte Bevölkerungsgruppen, die durch<br />
die Seuche besonders gefährdet waren. Zuallererst traf es oftmals die Hungernden<br />
und körperlich Geschwächten, so z. B. 1348 in Venedig die obdachlosen Massen,<br />
die nach einer Hungersnot von der Terraferma in die Stadt geflüchtet waren und<br />
nun, auf der Straße um Nahrung bettelnd, als erste von der Pest ergriffen wurden.<br />
72 Während die Vermögenden bei Ausbruch einer Pest schnellstmöglich die<br />
Stadt verlassen konnten, mussten die Armen in ihren Quartieren zurückbleiben. So<br />
breitete sich die Pest häufig von den Armenvierteln über die Städte aus, wie beispielsweise<br />
1679 in Wien, als die Seuche von der Leopoldvorstadt, wo vorwiegend<br />
arme Juden, Trödler und Lumpenhändler wohnten, in die anderen Viertel vordrang.<br />
73 Schwangere hatten kaum Überlebenschancen. 74 Besonders die jüngeren<br />
Altersgruppen waren gefährdet. Die nach dem Abklingen der ersten Pestwelle<br />
hinreichend immunisierte Bevölkerung war von einer folgenden Epidemie weniger<br />
betroffen als die nachwachsenden Kinder und Jugendlichen. 75<br />
Zu den gefährdetsten Berufsgruppen zählten die Bäcker und Müller, da Getreide<br />
und Mehl die bevorzugte Nahrung der Ratten waren. In vielen Fällen verschlimmerte<br />
das rasche Sterben der Bäcker die Not der Bevölkerung. Auch die<br />
Leinweber und Knochenhauer (Fleischer) erlitten zuweilen hohe Verluste, was mit<br />
der Lagerung von Leinsaat und der Anhäufung von Abfällen (Blut), die die Ratten<br />
angelockt haben können, in Zusammenhang stehen mag. Hingegen bestand für die<br />
Hoken, Fisch-, Butter- und Ölhändler, keine besondere Ansteckungsgefahr, was<br />
mit der Aufbewahrung der Hokenwaren in rattensicheren Fässern begründet wird.<br />
Für Böttcher, Rademacher, Snitker (Holz verarbeitendes Gewerbe) und v. a.<br />
Schmiede wird angenommen, dass für diese aufgrund des alltäglichen Arbeitslärms,<br />
der die Ratten fernhielt, eine geringere Ansteckungsgefahr bestand. Auch für die<br />
Menschen der weniger gefährdeten Berufsgruppen gab es natürlich keine absolute<br />
Sicherheit, sich nicht mit der Seuche zu infizieren. Die Pest wurde ja nicht nur über<br />
den Rattenfloh, sondern auch von Mensch zu Mensch übertragen. So konnte man<br />
sich beispielsweise leicht bei der Auslieferung von Särgen, deren Anfertigung in<br />
71 Ulbricht (2004b), S. 125 ff., mit Nachw. der Originalzitate.<br />
72 Bergdolt (2011), S. 52 f.<br />
73 Seelbach (2007), S. 219.<br />
74 Bergdolt (2011), S. 52 f.<br />
75 Grupe (1986), S. 32.