Kleines Lehrbuch der Astronomie und Astrophysik - Astronomie.de
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Neutrinoastronomie<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> quasi vom „Urknall“ übriggeblieben ist <strong>und</strong> kosmologisch eine große Be<strong>de</strong>utung bei <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Ausbildung primordaler Strukturen („Galaxienkeime“) hat. Das alles rechtfertigt die Anstrengungen,<br />
kosmische Neutrinos experimentell durch „Neutrinoteleskope“ nachzuweisen <strong>und</strong> ihre Herkunft <strong>und</strong><br />
Energieverteilung zu bestimmen.<br />
Der bereits erwähnte geringe Wirkungsquerschnitt macht es zwar schwierig, aber bei entsprechend<br />
großen Detektormassen nicht unmöglich, Neutrinos beispielsweise über Einfangsreaktionen <strong><strong>de</strong>r</strong> Art<br />
+ Cl → Ar + e<br />
+ Ga + e<br />
37 37 −<br />
71 −<br />
ν e<br />
o<strong><strong>de</strong>r</strong> ν e<br />
nachzuweisen. Die ersten Experimente zum Nachweis<br />
37<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Sonnenneutrinos beruhten z.B. auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Umwandlung von Chlor Cl<br />
37<br />
natürlichen Chlors ausmacht) in das radioaktive Argonisotop Ar .<br />
107<br />
(welches r<strong>und</strong> 24.2% <strong>de</strong>s<br />
Das man gera<strong>de</strong> diese Reaktion auswählte, hat in erster Linie experimentiertechnische Grün<strong>de</strong>. Chlor<br />
ist sehr billig <strong>und</strong> kann in Form einer chemischen Verbindung (zumeist Chlorethylen C 2Cl 4 , früher<br />
Perchlorethylen o<strong><strong>de</strong>r</strong> Tetrachlorkohlenstoff) in großer Menge <strong>und</strong> ausreichen<strong><strong>de</strong>r</strong> Reinheit bereitgestellt<br />
wer<strong>de</strong>n. Die durch Neutrinoeinfang entstehen<strong>de</strong>n Argonatome wer<strong>de</strong>n aus dieser Flüssigkeit mittels<br />
<strong>de</strong>s E<strong>de</strong>lgases Helium ausgewaschen <strong>und</strong> schließlich mit radiochemischen Mitteln nachgewiesen. Die<br />
Versuche auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Basis dieser Reaktion laufen seit Mitte <strong><strong>de</strong>r</strong> Fünfziger Jahre <strong>de</strong>s vorigen Jahrhun<strong><strong>de</strong>r</strong>ts<br />
<strong>und</strong> sind seit<strong>de</strong>m weitgehend perfektioniert wor<strong>de</strong>n. Um die Schwierigkeiten anzu<strong>de</strong>uten, mit <strong>de</strong>nen<br />
die Experimentatoren unter Leitung von RAYMOMD DAVIES JR (Nobelpreis 2002) <strong>und</strong> JOHN .N.<br />
BAHCALL zu kämpfen hatten, sei nur erwähnt, daß lediglich 50 Argonatome in 400000 Litern<br />
Chlorethylen während einer Experimentierzeit von 100 Tagen zu erwarten waren. Um die kosmische<br />
Strahlung als wesentlichste Fehlerquelle abzuschirmen, baute man die gesamte Versuchsanordnung in<br />
1478 Meter Tiefe in einem stillgelegten Bergwerk (Homestake-Goldmine in Lead, South Dakota,<br />
USA) auf. Der eigentliche Detektor ist ein Flüssigkeitstank, <strong><strong>de</strong>r</strong> 400 m³ flüssiges Chlorethylen enthält<br />
<strong>und</strong> ständig mit Helium durchlüftet wird. Dabei gelangen die wenigen Argonatome in das Heliumgas<br />
<strong>und</strong> können daraus auf radiochemischen Weg (sie verraten sich durch ihren typischen Zerfall)<br />
extrahiert <strong>und</strong> nachgewiesen wer<strong>de</strong>n. Um außer<strong>de</strong>m die schädliche Neutronenstrahlung <strong>de</strong>s<br />
umgeben<strong>de</strong>n Gesteins auszuschalten, wird während <strong><strong>de</strong>r</strong> Messung <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>n Detektor enthaltene Stollen<br />
mit Wasser geflutet.<br />
Der schwierigste Teil <strong>de</strong>s Experiments besteht in <strong><strong>de</strong>r</strong> Extraktion <strong>und</strong> Zählung <strong><strong>de</strong>r</strong> Argonatome. Dieses<br />
Problem konnte jedoch soweit gelöst wer<strong>de</strong>n, daß man quasi je<strong>de</strong>s durch eine Neutrinoreaktion<br />
entstan<strong>de</strong>ne 37-Argon –Atom registrieren kann.<br />
Ein großer Nachteil <strong><strong>de</strong>r</strong> Reaktion<br />
+ Cl → Ar + e<br />
37 37 −<br />
ν e<br />
ist <strong><strong>de</strong>r</strong> äußerst geringe<br />
Absorptionsquerschnitt für Neutrinos, <strong><strong>de</strong>r</strong>en Energie kleiner als 5 MeV ist. Unterhalb von E=0.814<br />
MeV ist ein Neutrinoeinfang sogar völlig unmöglich. Demnach spricht <strong><strong>de</strong>r</strong> Chlor-Neutrino<strong>de</strong>tektor in<br />
erster Linie auf die hochenergetischen Neutrinos (E>14 MeV) aus <strong><strong>de</strong>r</strong> Reaktion<br />
8<br />
8 +<br />
B → Be + e + ν<br />
e<br />
an. Das hat zur Folge, daß man mit diesem Detektortyp fast ausschließlich Neutrinos aus einem sehr<br />
selten ablaufen<strong>de</strong>n Seitenast <strong>de</strong>s pp-Zyklus <strong>de</strong>tektiert. Günstiger ist es <strong>de</strong>shalb, an Stelle von Chlor das<br />
Metall Gallium als Detektormaterial zu verwen<strong>de</strong>n. Damit lassen sich Neutrinos schon ab einer