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Kleines Lehrbuch der Astronomie und Astrophysik - Astronomie.de

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Teleskope, Detektoren, Meßgeräte<br />

Sie wer<strong>de</strong>n bei schwachen Wechselwirkungsprozessen erzeugt <strong>und</strong> repräsentieren nicht mehr ein<br />

Teilchen bestimmter Masse, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n eine Kombination von Zustän<strong>de</strong>n verschie<strong>de</strong>ner,<br />

massebesitzen<strong><strong>de</strong>r</strong> Teilchen. Das be<strong>de</strong>utet, daß ein als Myonenneutrino erzeugter Zustand mit einem<br />

bestimmten Impuls p sich mit zwei verschie<strong>de</strong>nen Massenzustän<strong>de</strong>n unterschiedlicher<br />

Geschwindigkeiten im Raum ausbreitet. Dabei än<strong><strong>de</strong>r</strong>n sich die Phasenbeziehungen innerhalb <strong>de</strong>s<br />

Mischzustan<strong>de</strong>s was dazu führen kann, daß dieses Myonenneutrino am Detektor als Tauneutrino<br />

registriert wird. O<strong><strong>de</strong>r</strong> verallgemeinert gesagt, Neutrinos können auf ihrem Weg von ihrem<br />

Entstehungsort bis zum Detektor periodisch ihre I<strong>de</strong>ntität än<strong><strong>de</strong>r</strong>n – sie oszillieren. Mit <strong>de</strong>n Metho<strong>de</strong>n<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Quantenmechanik können bei gegebener Massedifferenz ∆ m leicht die Wahrscheinlichkeiten für<br />

das Auftreten <strong><strong>de</strong>r</strong> einen o<strong><strong>de</strong>r</strong> an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Neutrinoart am Detektor berechnet wer<strong>de</strong>n.<br />

Die für praktische Messungen wichtige Vakuum-Oszillationslänge λ ν ergibt sich dann aus<br />

4π p<br />

λ ν = 2 2<br />

∆m<br />

c<br />

ℏ [1.65]<br />

Für Myonenneutrinos, die als Sek<strong>und</strong>ärteilchen in <strong><strong>de</strong>r</strong> Erdatmosphäre erzeugt wer<strong>de</strong>n, liegt die<br />

Oszillationslänge nach Messungen mit <strong>de</strong>m Super-Kamiokan<strong>de</strong>-Detektor (s.u.) in <strong><strong>de</strong>r</strong> Größenordnung<br />

<strong>de</strong>s Erddurchmessers.<br />

1978 konnten STANISLAV MIKHEYEV, ALEXI SMIRNOV <strong>und</strong> LINCOLN WOLFENSTEIN zeigen, daß die<br />

Ausbreitung <strong><strong>de</strong>r</strong> Neutrinowellenfunktionen von <strong><strong>de</strong>r</strong> Elektronendichte <strong><strong>de</strong>r</strong> Umgebung abhängt. Das<br />

Oszillationsverhalten ist <strong>de</strong>shalb in Materie an<strong><strong>de</strong>r</strong>s als im Vakuum. Im Einzelnen be<strong>de</strong>utet das, daß die<br />

Formel (1.65) für die Vakuum-Oszillationslänge beim Durchgang durch Materie nicht mehr gilt.<br />

Bestimmte Elektronendichten führen im Zusammenspiel mit <strong>de</strong>n Neutrino-Massedifferenzen zu einer<br />

resonanzartigen Verstärkung <strong><strong>de</strong>r</strong> Neutrinooszillationen. Dieser nach <strong>de</strong>n Autoren als MSW – Effekt<br />

benannte Erscheinung erklärt übrigens ziemlich folgerichtig das sogenannte Sonnenneutrinoproblem.<br />

Neutrinos, die in <strong><strong>de</strong>r</strong> Hochatmosphäre entstehen, erreichen <strong>de</strong>n Kamiokan<strong>de</strong>-Detektor unter<br />

unterschiedlichen Winkeln <strong>und</strong> damit unterschiedlichen Weglängen. Die Winkelverteilung sollte ohne<br />

Neutrinooszillationen <strong><strong>de</strong>r</strong> blauen Linie <strong>und</strong> mit Neutrinooszillationen <strong><strong>de</strong>r</strong> grünen Linie entsprechen.<br />

Die Meßwerte bestätigen ein<strong>de</strong>utig <strong>de</strong>n letzteren Fall.<br />

Neutrinoteleskope<br />

Die Ausführungen im vorangegangenen Abschnitt haben bereits gezeigt, daß Neutrinoteleskope mit<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Vorstellung eines herkömmlichen Teleskops wahrlich nichts zu tun haben. Es han<strong>de</strong>lt sich<br />

vielmehr um Meßeinrichtungen, wie man sie in dieser Größe nur von Forschungsprojekten <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Hochenergiephysik her kennt. Aber auch ganz ungewöhnliche Anlagen wer<strong>de</strong>n in <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Neutrinoforschung benutzt. So befin<strong>de</strong>t sich ein „Neutrinoteleskop“ (NT-200) in 1200 m Tiefe im<br />

Baikalsee, <strong>de</strong>m tiefsten See <strong><strong>de</strong>r</strong> Er<strong>de</strong>. Aber auch in das Eis <strong><strong>de</strong>r</strong> Antarktis sind Meßanlagen zum<br />

Nachweis von kosmischen Neutrinos verbracht wor<strong>de</strong>n (AMANDA). Im Folgen<strong>de</strong>n sollen einige <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

mo<strong><strong>de</strong>r</strong>neren Anlagen <strong>und</strong> ihre Funktionsweise vorgestellt wer<strong>de</strong>n. Dabei zeigt sich die Ten<strong>de</strong>nz zu<br />

immer größeren Detektorvolumina, während die „kernchemischen“ Metho<strong>de</strong>n weitgehend ausgereizt<br />

sind.

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