Kleines Lehrbuch der Astronomie und Astrophysik - Astronomie.de
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Teleskope, Detektoren, Meßgeräte<br />
Zwar konnte bis heute <strong><strong>de</strong>r</strong> spontane Zerfall eines Protons nicht nachgewiesen wer<strong>de</strong>n, aber die große<br />
St<strong>und</strong>e von Kamiokan<strong>de</strong> schlug am 23. Februar 1987, als eine Supernova in <strong><strong>de</strong>r</strong> Großen<br />
Magellanschen Wolke explodierte. An diesem Tag konnten mit diesem Detektor allein 11 von<br />
insgesamt r<strong>und</strong> 30 weltweit beobachteten Neutrinos nachgewiesen wer<strong>de</strong>n, die zweifelsfrei von diesem<br />
Ereignis stammen. Es war die erste direkte Beobachtung eines Kernkollapses eines massiven Sterns,<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> als Folge davon zu einem Neutronenstern wur<strong>de</strong>.<br />
R<strong>und</strong> 150 Meter vom alten Detektor entfernt wur<strong>de</strong> 1996 das Super-Kamiokan<strong>de</strong>-Neutrinoteleskop in<br />
Betrieb genommen. Das Prädikat „Super“ ist dabei völlig gerechtfertigt. Es besteht aus einem<br />
Wassertank, <strong><strong>de</strong>r</strong> 50000 Tonnen Wasser enthält <strong>und</strong> an <strong>de</strong>ssen Innenwän<strong>de</strong>n 11146 Photomultiplier<br />
angebracht sind. Der das Wasser enthaltene Zylin<strong><strong>de</strong>r</strong> besteht aus einem äußeren Detektor, <strong><strong>de</strong>r</strong> aus einer<br />
2 m starken Wasserschicht besteht <strong>und</strong> 1885 Photomultiplier enthält. Damit kann man die von Außen<br />
in die Meßanordnung einfliegen<strong>de</strong>n Teilchen erkennen <strong>und</strong> gegebenenfalls eliminieren. Der innere Teil<br />
stellt <strong>de</strong>n eigentlichen Detektor dar <strong>und</strong> enthält 32500 Tonnen aufwendig gereinigtes Wasser, das hohe<br />
Qualitätsansprüche in punkto Transparenz <strong>und</strong> Gehalt an radioaktiven Spurenstoffen (insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e<br />
Radon) genügen muß. Auch an die verwen<strong>de</strong>ten Sek<strong>und</strong>ärelektronenvervielfacher wer<strong>de</strong>n große<br />
Anfor<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen gestellt. So erreichen sie für die Lichtpulse eine Zeitauflösung von ca. 2 ns, was einer<br />
Lichtlauflänge von ungefähr 60 Zentimeter entspricht. Aus <strong><strong>de</strong>r</strong> Zeit <strong>de</strong>s Eintreffens <strong><strong>de</strong>r</strong> Cerenkov-<br />
Strahlung bei <strong>de</strong>n einzelnen Photomultipliern <strong>und</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Geometrie <strong>de</strong>s ausgeleuchteten Detektorbereichs<br />
läßt sich mit Hilfe von Computern die Bahn <strong>de</strong>s eindringen<strong>de</strong>n Neutrinos rekonstruieren.<br />
Die Fragestellungen, die mit Super-Kamiokan<strong>de</strong> bearbeitet wer<strong>de</strong>n, betreffen nur zu einem kleinen Teil<br />
die <strong>Astronomie</strong>. Es geht <strong><strong>de</strong>r</strong> Kollaboration vielmehr um ein noch besseres Verständnis <strong><strong>de</strong>r</strong> Natur <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Neutrinos, insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e darum, ob sie eine Ruhemasse besitzen <strong>und</strong> unter welchen Bedingungen sie<br />
periodisch ihr Flavor än<strong><strong>de</strong>r</strong>n (Neutrinooszillationen, s.u.). Super-Kamiokan<strong>de</strong> konnte z.B.<br />
eindrucksvoll beweisen, das Neutrinos wirklich „oszillieren“, was insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e auch <strong>de</strong>n<br />
Sonnenphysikern einen Stein vom Herzen nahm...<br />
Der „Erfin<strong><strong>de</strong>r</strong>“ von Kamiokan<strong>de</strong>, MASATOSHI KOSHIBA, erhielt übrigens 2002 für seine Forschungen<br />
zusammen mit RAYMOND DAVIES JR. <strong>und</strong> RICCARDO GIACCONI <strong>de</strong>n Nobelpreis für Physik.<br />
N-200 Baikal<br />
Diese Anordnung gehört zur ersten Generation von Neutrinoteleskopen, die das Problem <strong><strong>de</strong>r</strong> zu<br />
geringen Detektorvolumina dadurch zu überwin<strong>de</strong>n suchten, in <strong>de</strong>m man „natürliche“ Detektormedien<br />
in Form von flüssigen o<strong><strong>de</strong>r</strong> gefrorenen Wasser verwen<strong>de</strong>t, wie sie in Seen, Meeren o<strong><strong>de</strong>r</strong> im Eispanzer<br />
Antarktikas vorhan<strong>de</strong>n sind. Außer<strong>de</strong>m haben sie <strong>de</strong>n Vorteil, daß diese Medien selbst einen sehr guten<br />
Schutz vor Störstrahlung (z.B. die energieärmeren atmosphärischen Sek<strong>und</strong>är-Myonen) bieten. Man<br />
braucht dazu die Meßeinrichtungen nur tief genug im Wasser o<strong><strong>de</strong>r</strong> im Eis zu versenken. Um zu zeigen,<br />
daß <strong><strong>de</strong>r</strong>artige Anlagen wirklich funktionieren, wur<strong>de</strong> ab 1993 das Neutrinoteleskop NT-200 in über<br />
1100 m Tiefe im Baikalsee (Sibirien) – <strong>de</strong>m tiefsten Süßwassersee <strong><strong>de</strong>r</strong> Er<strong>de</strong> – installiert. Das<br />
Meßprinzip ist <strong>de</strong>m Meßprinzip im Kamiokan<strong>de</strong>-Detektor analog nur daß es das Ziel ist,<br />
Myonenneutrinos, die durch die Er<strong>de</strong> geflogen sind, nachzuweisen. Man nutzt dazu Reaktionen <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Form<br />
ν µ<br />
−<br />
+ n → µ +<br />
p