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unwürdiger Weise hinzulagern und zu betrinken. Altkanzler Helmut Schmidtwarnte ja schon, das Holocaustmahnmal werde bevorzugter Treffpunkt für„Penner und Fixer“ werden. Ideologiekritische St<strong>im</strong>men interpretieren <strong>die</strong>sePublikumsreaktionen als Widerstand gegen <strong>die</strong> dominante Geste neuerStaatsdenkmäler, <strong>die</strong> durch willkürliche Setzung und einschüchterndeUnverständlichkeit provozieren. Im Streit um Denkmäler und öffentlicheKunst würden hier Staats- und Publikumsinteressen aufeinanderstoßen. Imallgemeingesellschaftlichen Interesse wird es daher sein, ein unaufdringlichesDenkmal zu errichten, das ein Angebot zur Nutzung macht, ohnedurch Monumentalität und räumliche Dominanz vom Passanten Unterwerfungzu fordern. Karin Daans Denkmal in Amsterdam ist für mich ein gelungenesBeispiel, weil es ein offenes Angebot macht: Man kann es eiligdurchqueren, kann sich <strong>die</strong> Inschriften ansehen oder sich zwanglos dortaufhalten.Eine wichtige Frage ist, ob es mit künstlerischen Mitteln möglich sein wird,auch ein unbeteiligtes, zufälliges Publikum für <strong>die</strong> historischen Ereignissezu sensibilisieren.Ist zeitgenössische Kunst überhaupt geeignet, historische Zusammenhängedarzustellen?Im Gegensatz zur häufig autistischen „Kunst <strong>im</strong> öffentlichen Raum“ ist <strong>die</strong>Kunst <strong>im</strong> Denkmalsauftrag in ein Netz von Erwartungen, Emotionen undEinspruchsmöglichkeiten eingespannt, wie Stefanie Endlich formulierte.Denkmäler haben nach wie vor <strong>die</strong> Aufgabe, kollektive Erinnerungen zuveranschaulichen. Sie sollen etwas leisten, was <strong>die</strong> empirische und archivierendeWissenschaft nicht leisten kann und sollte: Geschichte auf Fixpunkteverdichten und illustrieren, ein indifferentes, vielleicht sogar wissenschaftsfeindlichesPublikum emotional bewegen und geistig aufscheuchen.Staatsdenkmäler appellieren <strong>im</strong>mer noch an religiöse Gefühlsregungen, anBegriffe wie „Würde“, „Ehre“ und „Gott“. Ihr Sinn liegt <strong>im</strong> kunstpädagogischenEffekt, ihr Anblick oder <strong>die</strong> Teilnahme an einem Ritual sollen denWunsch wecken, <strong>die</strong> historische Wahrheit zu erfahren. Doch wie bei einerWallfahrt wirkt <strong>die</strong>ser Effekt nur bei den ohnehin schon Überzeugten, mutmaßteManfred Herzer. Kunst wirkt in <strong>die</strong>sem Sinne nicht rational, sie verzerrtund verwischt <strong>die</strong> historischen Ereignisse. Die Tendenzen in der zeitgenössischenKunst verstärken <strong>die</strong>ses Problem: Abstraktion, Verfremdung,Verschlüsselung und Selbstbezug haben <strong>die</strong> konventionelle narrative Denkmals-Kunstmit ihren Figuren, Reliefs an den Rand gedrängt. Die zeitgenössische,bilderlose Denkmalskunst zielt vor allem auf das Raum- undKörpergefühl des Betrachters, sie will psychische Prozesse auslösen, innereBilder evozieren, manchmal bis an <strong>die</strong> Grenze der Wahrnehmbarkeitsubtil und subversiv verunsichern. Gabi Dolff-Bonekämper hat auf <strong>die</strong>serTagung bereits <strong>die</strong> Wirkung des Holocaustmahnmals auf das Körpergefühldes Besuchers beschrieben. Zeitgenössische Denkmäler sind unzugänglichfür den uninformierten, zufälligen Betrachter, entziehen sich durch „Technikendes Verschwindens“ förmlich dem Blick. Das grundsätzliche Dilemmabesteht nun darin, daß moderne Denkmäler ihren politischen Bildungsanspruchmit Hilfe einer diskursgestählten, selbstreferentiellen Formenspracheartikulieren müssen, <strong>die</strong> vielen Betrachtern unverständlich bleibt. Einige143

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