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Dienstwilligkeit der Strafjustiz standen der polizeilich betriebenen Homosexuellenverfolgungnicht nach. Die Verurteilungszahlen verdreifachten sich.➄ Ausmaß und Radikalität der Verfolgung wurden wesentlich dadurchbefördert, dass viele staatliche Instanzen an der Verfolgung mitwirkten.Gehe<strong>im</strong>e Staatspolizei, Justiz und Kr<strong>im</strong>inalpolizei entwickelten eigenen Verfolgungseiferund brachten eigene Verfolgungsstrategien ein. Sie konkurriertenund kooperierten miteinander. Rückkopplungs- und Synergieeffektewaren <strong>die</strong> Folge. Daraus entwickelte sich eine kumulative Gewaltspirale,<strong>die</strong> sich unter den Kriegsumständen weiter steigerte. Die Leidtragenden<strong>die</strong>ser schrittweisen Radikalisierung waren in jedem Fall <strong>die</strong> den Verfolgungsbehördenausgelieferten Homosexuellen.Die begonnenen Regionalforschungen der letzten zehn Jahre, <strong>die</strong> sich vorallem auf <strong>die</strong> Verfolgungspraxis richteten, haben außerdem gezeigt: DieVerfolgung Homosexueller lässt sich nur dann annähernd in ihrer tatsächlichenD<strong>im</strong>ension erfassen und beschreiben, wenn das Schicksal der Verfolgtenmit in den Blick genommen wird. Fast allen Regionalstu<strong>die</strong>n istgemeinsam, dass der staatlichen Verfolgungsgeschichte <strong>die</strong> Geschichtender Verfolgten eingeschrieben wurden. Diese Erweiterung um biographischeAspekte sind ein bedeutsamer Gewinn, auch für <strong>die</strong> Erinnerungskulturund das kollektive Gedächtnis. Wesentliche Impulse gingen dazu vomSchwulen Museum in Berlin aus.Im Hinblick auf das Mahnmal zur Homosexuellenverfolgung ist hinzuzufügen:Die Mahnung an <strong>die</strong> Homosexuellenverfolgung bleibt abstrakt, wennnicht zugleich an <strong>die</strong> Verfolgten, ihre Lebenswege und Schicksale erinnertwird. Das Mahnmal würde wie abgestellt wirken, wenn es an bewusstseinsbildenderGeschichtsschreibung dazu fehlt. Mit der Errichtung desMahnmals hat <strong>die</strong> Bundesregierung ihre Pflicht und Schuldigkeit nochlängst nicht getan. Sie steht weiterhin in der Verantwortung, auch <strong>die</strong>geplante Magnus-Hirschfeld-Stiftung zu errichten, mit der <strong>die</strong> historischeForschung zur Homosexuellenverfolgung und zur Erinnerung an <strong>die</strong> Verfolgtenweitergeführt und weiter vorangebracht werden kann. Denn <strong>die</strong> weißenFlecken in der Erforschung der Homosexuellenverfolgung überwiegennoch bei weitem auf der Landkarte des Deutschen Reiches und der vomNS-Reg<strong>im</strong>e besetzten Gebiete.Über das Ausmaß der Verfolgung homosexueller Männer in Deutschlandkönnen wir mittlerweile annähernde Zahlen angeben:Rechnet man <strong>die</strong> Berliner Verfolgungszahlen hoch auf das DeutscheReich, dann wurden schätzungsweise 200.000 Männer von der Polizei verdächtigt,verhört und eingeschüchtert. Über 60.000 Männer wurden wegendes Vorwurfs homosexueller Handlungen vor Gericht gebracht und verurteilt.Sie kamen in Gefängnisse, Zuchthäuser und Haftarbeitslager derJustiz. Und soweit wir das bisher anhand der Forschungen zu Berlin abschätzenkönnen, starben während der Justizhaft etwa 5% der homosexuellenHäftlinge – hochgerechnet auf Deutschland wären das etwa 3.000Männer. Sie starben in den Haftanstalten an der Schwerstarbeit, an Unterernährungund Krankheiten, aber auch an der Verzweiflung, Vereinsamungund den Schikanen von Mithäftlingen. Viele Selbstmorde sind auf <strong>die</strong> traumatischeVerletzung ihrer Int<strong>im</strong>sphäre und Selbstachtung zurückzuführen,auf ihre Erniedrigung und Demütigung ebenso, wie auf den Verlust des53

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