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➀ Die Verfolgung gewann in Deutschland eine staatspolitische Bedeutung.Das unterscheidet sie von der Verfolgung in anderen Staaten, wo zumeistmit religiös-sittlichen Vorbehalten staatliche Verfolgungsmaßnahmenund Sonderstrafgesetze begründet wurden. Die Verfolgung homosexuellerMänner ist vom NS-Reg<strong>im</strong>e nach dem Röhm-Putsch mit besonderemNachdruck und Gewalt in Gang gesetzt worden. Aus der Homosexualitäteiniger hoher SA-Führer, <strong>die</strong> Ende Juni 1934 ermordet wurden, erwuchsenAngstvisionen, <strong>die</strong> Homosexuelle in den NS-Organisationen als besonderepolitische Gefahr beschworen. Das Schreckensbild des homosexuellenStaatsfeindes entstand. Mit der Intensivierung der Verfolgung in den Großstädtenund der reichsweiten Ausdehnung der Verfolgung ab 1936 wandeltesich das Feindbild: Aus dem homosexuellen Staatsfeind wurde derhomosexuelle Volksfeind.2 Die Bekämpfung der Homosexualität war ein bedeutsamer Bestandteilstaatlicher Bevölkerungspolitik. Die völkisch ausgerichtete pronatalistischeGeburtenpolitik unterstellte Homosexuellen <strong>die</strong> Gefahr, sie könnten mittelsihrer Beziehungen auch andere Männer von Ehe und Fortpflanzung abhalten.Diese Bedrohungsvision wurde von einem sozialpolitischen Modernisierungskonfliktverstärkt und zugespitzt. Er bestand zwischen den herkömmlichengesellschaftstragenden und ab 1933 hochpolitisierten Männerbündenund der auf besondere Weise staatlich beförderten Familienpolitikdes NS-Reg<strong>im</strong>es. Homosexuelle gerieten in <strong>die</strong>sem Spannungsfeld quasizum doppelten Feindbild: Das diffamierende Schlagwort vom „bevölkerungspolitischenBlindgänger“, wie das Schreckensbild des „Jugendverführers“,der <strong>die</strong> Homosexualität wie eine Seuche verbreiten würde, bringenderartige staatliche Bedrohungsängste deutlich zum Ausdruck.3 Homosexuelle Männer wurden zu Feinden der NS-Diktatur erklärt, weilsie angeblich den Bestand und <strong>die</strong> Zukunft des Volkes gefährden würden.Freilich gab es ähnliche Angstvisionen auch in anderen Staaten, und esgibt sie bei religiös-orthodoxen Fundamentalisten bis heute. Der Unterschiedzwischen der Homosexuellenpolitik des NS-Reg<strong>im</strong>es und den homophobenstaatlichen Einflussnahmen religiöser Fanatiker liegt denn auchweniger in der quasireligiösen Vision von homogen vorgestellten Gemeinschaften.Der entscheidende Unterschied liegt in der Radikalität und Intensität,mit der <strong>die</strong> homophobe Ideologie während der NS-Zeit in staatlicheVerfolgungsmaßnahmen umgesetzt wurde.➃ Gerade <strong>die</strong> Regionalforschungen der letzten fünf Jahre haben verdeutlicht:Die Verfolgung homosexueller Männer ist systematisch vorangetriebenund mit zunehmender Radikalität betrieben worden. Zunächst warenes auf Abschreckung zielende Razzien und KZ-Internierungen. Damit einherging der Aufbau von Verfolgungsstrukturen bei der Gestapo, <strong>die</strong> ab1936 durch reichsweite Mobilisierung versuchte, <strong>die</strong> Kr<strong>im</strong>inalpolizei für einesystematische Verfolgung zu aktivieren. Dass ihr das gelang, liegt nicht nuran der Unterstellung der Kripo unter H<strong>im</strong>mlers Machtbereich und seinebekannte Drohung, er werde <strong>die</strong> Arbeit der Kripo künftig auch danach beurteilen,inwieweit sie <strong>die</strong> Homosexuellenverfolgung vorantrieb. Die Intensivierungder Verfolgung ist maßgeblich durch <strong>die</strong> Strafjustiz befördert worden.Das 1935 drastisch verschärfte Sonderstrafrecht gegen Homosexuellehat der Verfolgung erheblichen Nachdruck sowie Legit<strong>im</strong>ität und Rechtscharakterverschafft und sie beträchtlich ausgeweitet. Verfolgungsdruck und51

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