Download PDF - Gedenkort für die im Nationalsozialismus ...

Schon wenige Jahre nach diesem glänzenden Auftakt – Hackert fandnach längeren Auslandsreisen schließlich ab 1765 in Italien seine wahrekünstlerische Heimat – sollte Daniel Chodowiecki zum Hauptvertreter einessich schrittweise durchsetzenden bürgerlichen Realismus werden.Wenn auch Frühwerke wie das 1760 entstandene Ölbild „Gesellschaft imTiergarten“ scheinbar noch ganz der von Friedrich II. bewunderten Watteau-KunstLudwig XV. verpflichtet ist, so wird bei näherer Betrachtung deutlich,daß sich hier keine höfische Gesellschaft mehr zu einer Fête galanteversammelt hat, sondern eine bürgerliche Gesellschaft, die sich selbstbewusstin ihrer freien Zeit durchaus handfesten Vergnügungen im Tiergartenhingab.Weitere um 1770 entstandene Ölbilder vom Zeltenplatz, namentlich aberseine entsprechenden Radierungen – Chodowiecki sollte durch seine zahlreichenRadierungen zum fruchtbarsten und wichtigsten deutschen Illustratordes 18. Jahrhunderts werden – unterstreichen die schon im 18. Jahrhundertungemein hohe Aufenthaltsqualität bestimmter Bereiche des Tiergartensund damit seine außergewöhnlich frühe Bestimmung als Volksgarten.Es ist die allenthalben sich andeutende bürgerliche Zeit der Aufklärungmit ihrer wachsenden Vorliebe für die Natur und einem vorher nichtgekannten Leben im Freien.Viele seiner Arbeiten bieten zugleich auch eine schonungslose Darstellungsozialer Mißstände jener Zeit. In der Radierung „Der Bettelvogt“ wirddeutlich, daß in den Jahren nach der Zeit des Siebenjährigen Krieges auchin Berlin große Not herrschte, erhielt doch etwa ein Drittel der BevölkerungArmenunterstützung. Trotz des Verbotes der Bettelei wurde daher auch anbelebten Stellen des Tiergartens, wie dem Zeltenplatz, gebettelt. Undschließlich finden sich in Chodowieckis Arbeiten satirische Anspielungen –z.B. machte er mit seiner Radierung „La cavalcata infortunata“ auf daszunehmend in Mode gekommene Reiten der Damen im Tiergarten aufmerksam.Die außerordentliche Qualität des Chodowieckischen Œuvres 3 , in demsich stets ein intensives Naturstudium mit einem nicht minder gearteten Gesellschaftsstudiumverband, womit er sich deutlich als ein Protagonist derZeit der Aufklärung erweist, sollte gegen Ende des Jahrhunderts, mit demHeraufziehen des sentimentalen Gartenstils, einer neuen Darstellungsqualitätweichen. Die unter Friedrich Wilhelm II. geschaffene erste rein landschaftlicheGartenpartie im Tiergarten wurde von Hofgärtner Sello dem Jüngeren1792 als sogenannte „Neue Partie“ angelegt. Durch Aufweitung einesWasserzuges erhielt man eine seeartige Anlage mit eingestreuten Inseln,wovon eine besonders bevorzugt gelegene durch die Errichtung einerSäule mit bekrönender Vase den Namen Rousseauinsel erhielt. Diese Inselsollte die Nachbildung der bekannten Ruhestätte Jean Jacques Rousseausim Park zu Ermenonville bei Paris sein und wurde damit nicht nur zum anerkanntenVorbild für eine Vielzahl anderer Parkanlagen, sondern auch zurWeihestätte einer ganzen Epoche.Im Zuge der beginnenden schrittweisen „Verlandschaftung“ des Tiergartensstellte die mit einer Skulptur versehene Insel zugleich die Geburt einesidealen Bildtypus dar, der vorbildhaft für eine Vielzahl romantisch-sentimentalerVeduten wurde, wie sie nun bis in die erste Hälfte des 19. Jahrhundertsdie bekannten Abbildungen aus dem Tiergarten bestimmen sollte. Der75