GASTRO das Fachmagazin 11/22
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<strong>11</strong>/20<strong>22</strong><br />
ETHNOFOOD 83<br />
Die englische Küche hat es schwer und <strong>das</strong> obwohl es die englische Küche gar nicht gibt, so<br />
wie es auch die italienische oder die österreichische Küche eigentlich nicht gibt. <br />
<br />
Text & Fotos: Andrea Jungwirth<br />
angenommen ist, so dominieren doch<br />
drei Nationalgerichte: Roastbeef, Fish<br />
and Chips und Yorkshire Pudding. Manche<br />
zählen aufgrund seiner Beliebtheit<br />
auch inzwischen Chicken Tikka Masala<br />
dazu. Die indische Küche, ein Erbe aus<br />
der Kolonialzeit, ist auf der Insel sehr beliebt,<br />
und durch die große Migration aus<br />
Indien und Pakistan nach England sind<br />
indische Gerichte sehr verbreitet.<br />
Meist identifiziert man eine Landesküche<br />
mit den Gerichten, die<br />
sehr beliebt sind und vor allem<br />
im Ausland mit dem jeweiligen<br />
Land in Verbindung gebracht werden.<br />
So ist der „Haggis“, ein Eintopf aus den<br />
Schafsinnereien, nicht englische, sondern<br />
schottische Hausmannskost. Der<br />
Einfachheit halber wird aber nicht von<br />
der irischen oder der schottische Küche<br />
gesprochen, sondern nur von der englischen<br />
und die genießt nicht gerade den<br />
besten Ruf.<br />
English Breakfast<br />
Der Tag beginnt meist nicht mit einem<br />
englischen Frühstück, einer üppigen<br />
Mahlzeit, die in mehreren Gängen gegessen<br />
wird. Denn auch die Briten haben<br />
nicht mehr die Zeit am Morgen, so deftig<br />
und lang zu frühstücken. Es ist eher<br />
etwas für Touristen oder fürs Wochenende,<br />
unter der Woche reichen natürlich<br />
Schwarztee, gerne mit Milch, einfach<br />
nur Porridge, Toast oder Pfannkuchen.<br />
Denn ein „Full English Breakfast“ reicht<br />
von Porridge über Eiergerichte mit Bohnen<br />
in Tomatensauce, Würstchen und<br />
gebratenen Speck bis zu Toast mit Jam,<br />
<strong>das</strong> ist nichts für jeden Tag.<br />
Ein kleiner Lunch<br />
Das Mittagessen fällt in der Regel nicht<br />
warm aus und ist nicht – wie bei uns – die<br />
Hauptmahlzeit. Ein Sandwich mit Chips<br />
reicht meist. Beliebt ist ein „Ploughman`s<br />
Lunch“, <strong>das</strong> häufig im Pub mit einem Glas<br />
Bier serviert wird. Es besteht aus Brot,<br />
Käse, Schinken, mixed pickles und Eiern<br />
und war <strong>das</strong> typische Essen eines Arbeiters<br />
auf dem Feld, eine kalte Jause eigentlich.<br />
In den Schulkantinen wird jedoch<br />
meist warm gegessen, meist etwas<br />
Fleisch mit Gemüse, <strong>das</strong> meist sehr lieblos<br />
gewürzt zubereitet wird. Aber England<br />
ist ein Land der Fastfoodketten und<br />
Imbissbuden. Sie lieben Frittiertes und so<br />
werden Fish and Chips gerne auch tagsüber<br />
gegessen.<br />
Herzhaftes Dinner<br />
Erst am Abend wird gekocht und warm<br />
gegessen. Die Mahlzeit im Kreise der Familie<br />
wird als „Supper“ oder „Tea“ bezeichnet,<br />
denn ein Dinner findet eigentlich<br />
nur in einem Restaurant oder bei<br />
Freunden statt. Auch <strong>das</strong> ausgedehnte<br />
“Roast Dinner“ ist selten geworden. Es<br />
besteht aus gebratenem oder geschmortem<br />
Fleisch, „gravy“ (einer Bratensauce),<br />
typisch englischen Gemüsesorten<br />
und Kartoffeln. Es wird nur mehr selten,<br />
am ehesten am Wochenende, zelebriert.<br />
Yorkshire Pudding aus Eierkuchenteig ist<br />
die Beilage zu Roastbeef.<br />
Potatoes in allen Variationen<br />
Kartoffeln sind in England sehr beliebt,<br />
vor allem als Chips oder Brei. So werden<br />
„Smashed Potatoes“ zu Fleisch und<br />
Fisch serviert und in verschiedenen Pies<br />
verarbeitet. Der „Shepards Pie“ ist eine<br />
englische Pastete, die nicht mit Teig,<br />
sondern mit Kartoffelbrei abgedeckt gebacken<br />
wird. Im „Fishermans`s Pie“ wird<br />
der Fisch damit abgedeckt, im „Cottage<br />
Pie“ Rindsfaschiertes und Gemüse. Auch<br />
wenn die englische Küche vielfältiger als<br />
Resten eine Chance geben<br />
Trotz des schlechten Images ist die englische<br />
Küche für einige sehr gute Gerichte<br />
bekannt, auch Top- Köche und Restaurants<br />
sind international anerkannt.<br />
Aber ein Großteil der Briten liebt Tiefkühlkost,<br />
fast food, Frittiertes und<br />
Würstchen aller Art. Als Inselnation<br />
sind sie für ihren Humor und einige für<br />
uns seltsame Gewohnheiten bekannt,<br />
vor allem wenn es um gutes Benehmen<br />
geht. „Manners” sind nicht eine Frage<br />
des Benimms, sondern des Charakters.<br />
Grundlage ist immer Rücksichtnahme.<br />
Ihr Leitsatz: “Don’t intrude!”, misch dich<br />
nicht ein. Daher bittet auch niemanden<br />
in einem zugigen Restaurant, die Tür zu<br />
schließen, denn <strong>das</strong> verstößt gegen die<br />
guten Manieren. Vielleicht ist <strong>das</strong> der<br />
Grund, <strong>das</strong>s in englischen Restaurants<br />
selten nach einem „doggy bag“ gefragt<br />
wird. Obwohl England zu einem der<br />
Länder mit der größten Lebensmittelverschwendung<br />
zählt, ist es für die Bewohner<br />
schwierig, die Gewohnheiten zu<br />
ändern und öffentlich nach einem doggy<br />
bag zu fragen. Es ist ihnen peinlich.<br />
Die Aufbewahrungsbox, in der Restaurantbesucher<br />
ihr übrig gebliebenes Essen<br />
mitnehmen können, hat sich noch<br />
nicht so stark durchgesetzt und <strong>das</strong>, obwohl<br />
vor allem die Schotten als geizig<br />
und sparsam gelten. Anders als in Amerika.<br />
Hier ist es Gang und gebe, niemand<br />
schämt sich dafür und da die Portionen<br />
oft größer sind als auf den Britischen<br />
Inseln, zahlt es sich auch aus. Obwohl<br />
doggy bag ein englischer Begriff ist, ist<br />
die Hundetüte doch eher amerikanisch<br />
als britisch.