GASTRO das Fachmagazin 11/22
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90 PORTRAIT<br />
<strong>11</strong>/20<strong>22</strong><br />
aussieht, wusste ich zu dem Zeitpunkt<br />
nicht. Dass sich <strong>das</strong> bis jetzt so gut ergeben<br />
hat, ist natürlich fein.<br />
Fühlen Sie sich vor dem Vorhang im<br />
Fernsehen, etwa als Gastgeber bei<br />
„First Dates“ wohler als hinter den<br />
Kulissen in der Küche? Sind Sie eine<br />
„Rampensau“, wie man bei uns sagt?<br />
Wenn man vor der Kamera steht, muss<br />
man schon ein wenig extrovertiert sein,<br />
auch wenn ich privat eher introvertiert<br />
und zurückhaltend bin, was mir viele<br />
Leute nicht glauben. Aber es war ja<br />
schon vorher so, <strong>das</strong>s man als Küchenchef,<br />
speziell in einem Betrieb wie dem<br />
Hangar-7, nicht nur <strong>das</strong> stille Mäuschen<br />
hinterm Herd ist, sondern auch<br />
nach außen hin auftritt, auch mit dem<br />
Gast oder den Medien kommunizieren<br />
soll. Jetzt den Weg ins Fernsehen, habe<br />
ich jedenfalls nicht offensiv gesucht,<br />
sondern da wurde ich eher gefunden.<br />
Sind Sie angesichts von Corona, Inflation,<br />
Energiekrise und Mitarbeitermangel<br />
froh, nicht mehr in einem Lokal<br />
zu arbeiten?<br />
Ja schon, <strong>das</strong> hat bereits vor zweieinhalb<br />
Jahren mit dem ersten Lockdown<br />
begonnen, <strong>das</strong>s ich mir damals keine<br />
Sorgen machen musste, ob und wann<br />
und wie es weitergeht. Lauter Fragen,<br />
die sich meine Kollegen stellen mussten.<br />
Und die Situation ist derzeit ja<br />
nicht besser geworden. Viele Kollegen<br />
tun mir heute wirklich leid und ich bin<br />
sehr froh, mich darum nicht mehr kümmern<br />
zu müssen.<br />
Zitat<br />
„In Zukunft<br />
wird der Gast<br />
mehr bezahlen<br />
müssen für<br />
weniger<br />
Service.“<br />
Wie beurteilen Sie die Situation in<br />
der Gastronomie? Werden die aktuellen<br />
Probleme die Branche verändern?<br />
Man hört von immer mehr Traditionslokalen,<br />
die aufgeben müssen,<br />
in Südtirol hat es sogar mit dem Padscheider<br />
Hof einen Ihrer Lieblingsbetriebe<br />
erwischt.<br />
Gut, der Padscheider Hof hat nicht aufgeben<br />
müssen, weil es sich nicht mehr<br />
ausgegangen ist. Die wollten aus unterschiedlichen<br />
Gründen einfach nicht<br />
mehr. Aber ganz generell gesprochen:<br />
Ich denke schon lange, <strong>das</strong>s die Gastronomie<br />
bei uns für <strong>das</strong>, was sie leistet,<br />
viel zu wenig Geld verlangt. Wenn man<br />
den Gast schon vor 20 Jahren daran gewöhnt<br />
hätte, höhere Preise zu bezahlen,<br />
dann hätten wir heute in der Branche<br />
viele Probleme wahrscheinlich nicht.<br />
Dann gäbe es z.B. die Mitarbeiterproblematik<br />
nicht, weil wir die Mitarbeiter<br />
besser bezahlen könnten. In Zukunft<br />
wird der Gast also mehr bezahlen müssen<br />
für weniger Service und entweder<br />
er akzeptiert <strong>das</strong>, oder er bleibt zu Hause.<br />
Denn für guten Service brauche ich<br />
gute Mitarbeiter und von denen gibt es<br />
im Moment zu wenige.<br />
Und wie sieht <strong>das</strong> im Top-Segment<br />
aus? Oder gibt es immer ein Publikum,<br />
dem es egal ist, ob <strong>das</strong> Menü<br />
200, 300 oder 400 Euro kostet?<br />
Das wird alle Gastronomiesparten betreffen.<br />
Alle werden ihre Preise erhöhen<br />
müssen. Dass die Top-Liga sich<br />
dabei so viel leichter tut, glaube ich gar<br />
nicht. Einfach wird <strong>das</strong> für niemanden.<br />
Wichtig wird nur sein, <strong>das</strong>s alle an einem<br />
Strang ziehen.<br />
Wo sehen Sie die Branche in Zukunft<br />
generell? Mehr Bio, Regionalität und<br />
weniger Fleisch oder wird <strong>das</strong> Pendel<br />
auch wieder zurückschwingen?<br />
Der Trend geht schon in Richtung weniger<br />
Fleisch, aber <strong>das</strong> sind Themen, über<br />
die ich mir gar nicht so viele Gedanken<br />
mache. Denn was auf dem Teller ist,<br />
spielt nur dann eine Rolle, wenn es jemanden<br />
gibt, der mir <strong>das</strong> Essen kocht,<br />
den Teller anrichtet, serviert und wieder<br />
abwäscht. Das ist derzeit <strong>das</strong> viel<br />
gravierendere Problem als irgendwelche<br />
Ernährungstrends. Letztlich wird<br />
die ehrliche Küche, werden die guten<br />
kulinarischen Konzepte bestehen bleiben.<br />
Wenn Sie sich an Ihre Zeit im Hangar-7<br />
erinnern: Was war die schrägste<br />
Idee, mit der ein Gastkoch je gekommen<br />
ist? Es gibt da <strong>das</strong> Gerücht mit<br />
dem chinesischen Koch, der Affenhirn<br />
servieren wollte ...<br />
Naja, jedes Land hat so seine kulinarische<br />
Kultur, obs in Peru die Meerschweinchen<br />
sind oder in China die<br />
Schlangen. Ja <strong>das</strong> mit dem Affenhirn<br />
war damals so ein kurzes Thema, aber<br />
<strong>das</strong> war wohl auch nicht ganz ernst gemeint.<br />
Spannend war dafür ein Gastkoch<br />
aus Toronto, der die Menüfolge<br />
einfach umgedreht und mit dem Hauptgang<br />
begonnen hat und erst danach kamen<br />
die Vorspeisen. Fand ich damals<br />
wirklich schräg, macht aber durchaus<br />
Sinn, denn am Anfang haben die Gäste<br />
noch Hunger und kommen nicht erst<br />
zum Hauptgericht, wenn sie eh schon<br />
mit diversen Vorspeisen gesättigt sind.<br />
Ich mache <strong>das</strong> auch immer wieder mal.<br />
Erst vor ein paar Monaten habe ich bei<br />
einem Event in Südtirol für 200 Leute<br />
ebenfalls Vor- und Hauptgericht getauscht<br />
und <strong>das</strong> funktioniert super.<br />
Wenn dann der große erste Hunger gestillt<br />
ist, kann man anfangen, die leichteren<br />
Vorspeisen zu genießen. Für mich<br />
spricht dann auch nichts dagegen, mal<br />
mit dem schweren Rotwein zu beginnen<br />
und mit dem leichten Weißen zu enden.<br />
Ich mag auch die japanische Küche,<br />
die kein Brot serviert. Wenn ich noch irgendwo<br />
koche, gibt es kein Brot mehr,<br />
außer es passt zu einem Gericht. Aber<br />
vor einem Achtgang-Menü vorab noch<br />
Brot zu servieren, damit die Leute sich