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Wladimir Kaminer Ich bin kein Berliner

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meiner Heimat eine sehr beliebte Tätigkeit. Die populäre<br />

Zeitschrift »Der Erfinder und der Rationalisator«, auf feinem<br />

dünnem Papier gedruckt und mit vielen Skizzen und<br />

Zeichnungen, konnte man fast in jedem Haushalt auf dem Klo<br />

finden. Und im Fernsehen berichtete der Akademiker Kapiza in<br />

seiner Sendung »Unvorstellbare Tatsachen« ständig über neue<br />

russische Erfindungen. Fast in jeder guten Schule existierte ein<br />

»Jugend forscht«-Zirkel. In dem <strong>Berliner</strong> Erfinderklub<br />

»Denker« forschte dagegen das Alter. Die Erfinder schufteten<br />

jeden Tag von früh bis spät und hatten unglaublich viel Zeug in<br />

den letzten Jahren zum Patent angemeldet. Die größten und<br />

dementsprechend bildhaftesten Erfindungen konnten wir filmen,<br />

darunter eine Windkraftmaschine mit Multitur<strong>bin</strong>enprinzip, die<br />

man gleichzeitig zur Schnapsdestillation benutzen konnte.<br />

»Sie filmen das Gerät von der falschen Seite«, sorgte sich der<br />

Erfinder. »Das ist die unwichtige Seite, die wichtige Seite ist<br />

hier hinten!«<br />

»Aber diese Seite sieht einfach besser aus«, konterte der<br />

Kameramann.<br />

Die Wissenschaftler beklagten sich darüber, dass man in<br />

Deutschland als Erfinder nur schlecht Zugang zur Wirtschaft<br />

fand.<br />

»Weniger als fünf Prozent der Patente werden tatsächlich<br />

umgesetzt«, erklärten mir meine Landsleute. Woher soll dann<br />

bitte der erwünschte wirtschaftliche Aufschwung kommen? <strong>Ich</strong><br />

versprach ihnen, dieses wichtige Thema in der Sendung<br />

anzusprechen.<br />

Es war schon dunkel, als wir mit dem Dreh fertig waren.<br />

Berlin – die Arbeiterstadt, in der die Leute ununterbrochen<br />

schufteten, war nicht besonders überzeugend rübergekommen.<br />

»Das Leben und das Fernsehen sind inkompatibel, das eine<br />

findet wirklich statt, und das andere ist nur Quatsch«, dachte ich<br />

frustriert.<br />

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