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Wladimir Kaminer Ich bin kein Berliner

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auch gern gefilmt werden wollten. Sie stellten eine<br />

Großfamilienidylle dar. Die Frauen deckten den Klapptisch, die<br />

Männer standen am Feuer und drehten die Spieße, die Kinder<br />

spielten Fußball.<br />

»Merkwürdig, dass die Türken auch in ihrer Freizeit grillen«,<br />

bemerkte der Kameramann.<br />

Abschließend trafen wir sogar ein paar grillende Russen. Sie<br />

wollten nicht gefilmt werden und erklärten uns umständlich:<br />

»Die Frau neben mir ist nicht meine Frau. Und die andere Frau,<br />

die gerade Holz sammeln gegangen ist, ist die Frau von einem<br />

guten Freund, der aber heute nicht da ist. Und wenn meine Frau<br />

mich im Fernsehen mit einer anderen Frau sieht, dann wird es<br />

Ärger geben, verstehen Sie?«<br />

Anderes Volk, andere Sitten dachten wir und packten unsere<br />

Technik ein. Im Großen und Ganzen hat mich der Grillplatz<br />

Tiergarten nicht wirklich beeindruckt.<br />

Es gab dort viel zu wenig Qualm. Der größte <strong>Berliner</strong><br />

Grillplatz befindet sich nämlich nicht im Westen, sondern direkt<br />

vor meinem Fenster an der Grenze zwischen Wedding und<br />

Prenzlauer Berg. Eigentlich leben wir hier in einer<br />

paradiesischen Landschaft, dort, wo früher die Mauer verlief.<br />

Heute ist an Stelle des ehemaligen Todesstreifens eine<br />

Parkanlage mit mehreren Kinderspielplätzen entstanden. Es gibt<br />

also viel Grün vor unserem Haus. Wenn das Wetter gut ist, öffne<br />

ich alle Fenster, dann riecht es in der ganzen Wohnung – aber<br />

nicht nach Blumen, sondern nach Grillwurst. Der Platz vor<br />

unserem Haus ist nämlich ein besonderer Ort. Dort stehen<br />

Erlaubt-Schilder – ein Unikum in Deutschland. In der Regel<br />

trifft man hier überall nur auf Verbots- und Mahnschilder. Auf<br />

die Idee, den Bürger auf etwas hinzuweisen, was erlaubt ist,<br />

muss man erst einmal kommen. Auf unserem Platz stehen<br />

»Grillen erlaubt«-Schilder.<br />

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