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Wladimir Kaminer Ich bin kein Berliner

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Theatermagazin komplett erfasst werden können. Das liegt an<br />

der Volkstümlichkeit dieser Kunstgattung. Trotz ständiger<br />

Versuche, das Theater als elitäre Kunst zu etablieren, bleibt die<br />

Theaterbühne ein Ort, an dem sich die Massen austoben. Anders<br />

als beim Film oder in der Musik darf beim Theater jeder<br />

mitmachen. Man muss dafür <strong>kein</strong>e besondere Begabung<br />

besitzen, zum Beispiel ein Musikinstrument spielen, gut singen<br />

oder malen können. Es reicht schon, wenn man in der Lage ist,<br />

ein paar Sätze auswendig zu lernen und diese mehr oder weniger<br />

glaubwürdig zu einem vom Regisseur festgesetzten Zeitpunkt<br />

von sich zu geben. Aber selbst das ist schon lange <strong>kein</strong>e<br />

Bedingung mehr. Es darf unter Umständen auch unglaubwürdig<br />

klingen, und selbst wenn man den Text an einer falschen Stelle<br />

von sich gibt oder ganz vergisst, geht nichts am Stück verloren.<br />

Das Theater ist sehr demokratisch, in allen seinen Sparten: Das<br />

Tanztheater beispielsweise braucht <strong>kein</strong>e tollen Tänzer. Die<br />

Bereitschaft, barfuß auf der Bühne herumzuspringen und sich ab<br />

und zu auf dem Boden zu wälzen, reicht aus.<br />

Für alle, die Tanztheater zu anstrengend finden, gibt es das<br />

Bewegungstheater, ein in Berlin sehr verbreitetes Genre.<br />

Bewegungstheater heißt, mit Gesten und Grimassen sein inneres<br />

<strong>Ich</strong> zum Ausdruck zu bringen und sich dem fremden Publikum<br />

zu öffnen. In Amsterdam wird das Bewegungstheater sogar von<br />

Ärzten verschrieben – es ist gut für die Nerven und hilft gegen<br />

Stress und Depressionen. In jeder Klinik, die etwas auf sich hält,<br />

gibt es inzwischen ein Bewegungstheater mit erfahrenen<br />

Therapeuten als Regisseure. Davon können die <strong>Berliner</strong><br />

Depressiven nur träumen.<br />

Dafür fängt hier das Theater sehr früh an. Bereits im<br />

Kindergarten werden regelmäßig Theateraufführungen<br />

organisiert. Eine Bühne wird aufgebaut, jedes Kind bekommt<br />

Häschenohren an den Kopf gebunden, sein Gesicht wird bunt<br />

bemalt, und ab geht die Schau. Die Erzieherin spielt dazu<br />

Gitarre, die Kinder versuchen, sich hintereinander zu<br />

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