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Wladimir Kaminer Ich bin kein Berliner

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Signal von sich geben, selbst dann, wenn man die SIM-Karte<br />

austauscht und die Akkus entfernt. Auf diese Weise kann jedes<br />

Handy schnell geortet werden – typisch Überwachungsstaat.<br />

Diebstahl lohnt sich also in Berlin nicht, ganz anders als zum<br />

Beispiel in Lissabon. Dort waren wir neulich schon gleich am<br />

ersten Tag unsere Tasche los. <strong>Ich</strong> hatte mir den portugiesischen<br />

Reiseführer »Die Metropole am Atlantik. Abseits der<br />

Touristenwege« für die Reise gekauft und daraus für den ersten<br />

Tag unseres Aufenthaltes die Route »Weg 1. Lissabon im<br />

Überblick« ausgewählt. (Nebenbei gesagt, stand in diesem<br />

Reiseführer auch, dass die Lissabonner Kriminalität seit Jahren<br />

stagniert und kaum zu bemerken ist.)<br />

»Am oberen Ende von der Rua Garett befindet sich das älteste<br />

Café der Stadt, A Brasileira. Jeder, der Lissabon wirklich<br />

kennen lernen will, sollte dort unbedingt einen Espresso, ein<br />

Glas Vino Verde oder frisch gepressten Orangensaft bestellen.«<br />

Das hörte sich gut an, das wollten wir uns auf <strong>kein</strong>en Fall<br />

entgehen lassen. Das Café war gefüllt mit Touristen, die<br />

wahrscheinlich alle den gleichen Abseits-Reiseführer gekauft<br />

hatten. <strong>Ich</strong> rieb mir kurz die Augen, verlor für eine Sekunde den<br />

Überblick über Lissabon, schon war unsere große <strong>Berliner</strong><br />

Handtasche weg. Taschentücher, Lippenstift, eine billige<br />

Fotokamera, eine Geldbörse mit dem Bild der heiligen Maria<br />

und 200 Euro in bar – alles weg.<br />

Der Bedienung im Café A Brasileira, die gerade eben noch in<br />

einwandfreiem Deutsch mit uns geredet, eine Bestellung<br />

aufgenommen und sorgenvoll gefragt hatte, ob wir auch was zu<br />

essen haben wollten, verschlug es vor Aufregung alle<br />

Deutschkenntnisse. Sie verstand plötzlich nur noch<br />

Portugiesisch. Im Übrigen wunderte sie sich sehr über das<br />

Fehlen der Tasche und erklärte uns, dass sie einen solchen<br />

Unfug, dass in Lissabon jemand einem anderen etwas<br />

wegnehmen würde, eigentlich zum ersten Mal sähe. Dann rief<br />

sie aber doch die Polizei.<br />

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