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Wladimir Kaminer Ich bin kein Berliner

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verstecken. Die Eltern klatschen und rufen dazu: »Zier dich<br />

nicht, komm nach vorne!« Wobei jeder natürlich sein eigenes<br />

Häschen meint. In der Schule geht es dann mit Shakespeare und<br />

Kleist weiter. So werden die Kinder hier frühzeitig zu<br />

Rampensäuen gezüchtet.<br />

Die Theaterhauptstadt Berlin kann es mit ihren mehr als<br />

viertausend gut besuchten Veranstaltungen pro Jahr mit jeder<br />

Theaterstadt der Welt aufnehmen. Als ich 1990 aus dem<br />

frostigen Moskau in dieses Mekka der Künste kam, wurde mir<br />

vom Arbeitsamt Prenzlauer Berg sofort eine Theaterstelle<br />

vermittelt. Damals erhielten hier die zahlreichen Theaterprojekte<br />

noch großzügige staatliche Unterstützung. In jeder Kneipe saß<br />

ein imposanter schnurrbärtiger Theatermacher mit Pfeife und<br />

Whiskeyglas, der regelmäßig ABM-Stellen zu verteilen hatte.<br />

Und so wurde ich Mitglied einer begabten Off-Theater-Gruppe.<br />

<strong>Ich</strong> glaube, es war ein Bewegungstanztheater mit kleinen<br />

Sprachtheaterelementen und großem pyrotechnischen Aufwand.<br />

Bei unserer ersten Premiere in Berlin steckten wir ein leer<br />

stehendes Haus in Flammen und erhielten dafür den begehrten<br />

»Theaterpreis für freie Bühnen«. Hauptsächlich spielten wir in<br />

der Kulturbrauerei, aber auch an öffentlichen Orten, unter der<br />

Gleimbrücke, am Teutoburger Platz, auf Marktplätzen, vor<br />

Rathäusern und Kaufhallen oder einfach so auf der Straße –<br />

immer mit sehr viel Publikum. Nirgendwo habe ich eine derart<br />

interessierte Bevölkerung erlebt, die sich alles reinzieht. Vor<br />

allem, wenn es umsonst ist.<br />

Bei diesen kostenlosen Veranstaltungen unter freiem Himmel<br />

durfte ich in einem französischen Drama den Teufel spielen. In<br />

schwarzen Klamotten, mit einer Maske und einer brennenden<br />

Fackel in der Hand lief ich um den Platz und gab dabei mein<br />

inneres <strong>Ich</strong> preis. Die freundlichen <strong>Berliner</strong> Zuschauer<br />

verfolgten mein Spiel gebannt. Die Tatsache, dass ich noch nicht<br />

richtig Deutsch konnte, fiel nicht auf. Es war ja ein<br />

Bewegungstheater.<br />

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