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Wladimir Kaminer Ich bin kein Berliner

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werden sie solche Roboter erfinden, die unter Umständen bereit<br />

wären, auch ohne Strom zu arbeiten, aus einprogrammierter<br />

Überzeugung quasi, oder sie werden die bereits bewährten<br />

Roboter mit den zahlreichen deutschen Windkraft- beziehungsweise<br />

Biogasanlagen kurzschließen. So oder anders werden die<br />

schlauen Manager einen Weg finden, die letzten Arbeiter aus<br />

der Massenproduktion zu verjagen.<br />

Je weniger Menschen in den großen Betrieben tätig sind, umso<br />

mehr steigen bei den mittelständischen Unternehmen ein. Diese<br />

Tendenz ist seit drei Jahrzehnten steigend, und in Berlin ist<br />

mittlerweile die ganze Stadt in kleinen Betrieben<br />

untergekommen. Das kann ein Lebensmittelladen, eine<br />

Elektrofirma oder eine Kneipe sein – als mittelständischer<br />

Betrieb zählt jeder, der weniger als tausend Mitarbeiter<br />

beschäftigt. Und über neunzig Prozent aller Kleinbetriebe haben<br />

weniger als zwanzig Beschäftigte. Die Kriterien für ein<br />

mittelständisches Unternehmen sind einleuchtend: Es muss eine<br />

Wirtschaftsweise ausüben, bei der es nicht auf die Menge<br />

ankommt. Das heißt zum Beispiel für eine Kneipe, nicht gleich<br />

alle Kunden bis zum Deckel abzufüllen. Außerdem muss so ein<br />

Unternehmen Flexibilität zeigen, eine geringe<br />

Wettbewerbsfähigkeit haben und ruhig ab und zu einmal<br />

pleitegehen. Aber das wichtigste Kriterium – anders als bei den<br />

Großkneipen, die in ihren unzähligen Filialen anonyme Roboter<br />

am Tresen einsetzen: Ein mittelständischer Betrieb muss stark<br />

durch die Persönlichkeit des Unternehmers geprägt sein. Diese<br />

Personifizierung ist der größte Trumpf eines Kleinbetriebes,<br />

wenn es um das Überleben in Zeiten der Globalisierung geht.<br />

Berlin funktioniert wie ein Kleinbetrieb. Alle meine Nachbarn,<br />

Freunde und Bekannten sind laufend bei den unterschiedlichsten<br />

kleinen Klitschen beschäftigt, wenn sie nicht gerade arbeitslos<br />

sind. Die Karrieren, die sich hier die meisten zulegen, können<br />

sehr verwickelt sein und zeugen von großer Flexibilität. Vom<br />

Schuhverkäufer zum Solariumsbesitzer, vom Übersetzungsbüro-<br />

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