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Inhalt AUFSÄTZE ANHANG - ZIS

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Claus Roxin_____________________________________________________________________________________keit des unmittelbar Ausführenden, der als schuldhaft-eigenhändigerTäter zu bestrafen ist. Aber diese Umstände sind fürdie Herrschaft des Hintermannes irrelevant, weil von seinerWarte aus der Handelnde sich nicht als freie und verantwortlicheEinzelperson, sondern als anonyme, austauschbareFigur darstellt. Der Ausführende ist, so wenig an seinerHandlungsherrschaft gerüttelt werden kann, doch gleichzeitignur ein in jedem Augenblick ersetzbares Rädchen im Getriebedes Machtapparates, und diese doppelte Perspektive rücktden Hintermann neben ihm ins Zentrum des Geschehens.“III. Die internationale Karriere der von mir entwickeltenRechtsfigur ist erstaunlich. Sie ist es besonders auch deshalb,weil diese Lehre in Deutschland nach anfänglich breiter Zustimmungund nach ihrer – ihren Anwendungsbereich freilichüberdehnenden – Übernahme durch den Bundesgerichtshof 10trotz weiterhin überwiegender Anerkennung auch eine Reihevon teilweise hartnäckigen Gegnern gefunden hat. 11 Es isthier nicht der Ort, sich im Detail mit den einzelnen Autorenauseinanderzusetzen, die denjenigen, der an den Schalthebelnder Macht sitzt und den ihm zur Verfügung stehenden organisatorischenApparat zur Begehung von Verbrechen benutzt,als Mittäter oder Anstifter statt als mittelbaren Täter beurteilen.Ich habe zu diesen abweichenden Ansichten schon beianderen Gelegenheiten ablehnend Stellung genommen. 12 DerOberste Gerichtshof Perus behandelt diese Meinungen nurbeiläufig und eher abschätzig, indem er auf „einige abweichendePositionen internationaler und ausländischer Autoren“hinweist, die die Organisationsherrschaft „mit den Formender Mittäterschaft, Anstiftung oder Beihilfe verwechseln“ 13 .Wenn sich diese Auffassungen international nicht durchgesetzthaben, so hat das seine Ursache vermutlich darin, dassdie Tätigkeit dessen, der einen Machtapparat dirigieren kannund zur Begehung von Straftaten einsetzt, den juristischenErfordernissen und auch den sprachgebrauchsentsprechendenVorstellungen von Mittäterschaft und Anstiftung – von derBeihilfe ganz zu schweigen – so wenig entspricht, dass dieVerwerfung solcher Ansichten nahezu auf einem Evidenzurteilberuht. Das wird auch ohne Einzelkritik schon in knappstenFormulierungen schlagend deutlich.Für die Annahme einer Mittäterschaft fehlen sämtlichegemeinhin anerkannten Voraussetzungen dieser Beteiligungsform.Es liegt weder ein gemeinsamer Tatentschluss nocheine gemeinsame Tatausführung vor. Es fehlt auch völlig diehorizontale Struktur der Mittäterschaft, d.h. die gleichrangige10 BGHSt 40, 218. Zur Überdehnung vgl. unten S. 568.11 Nähere Nachweise bringt die 8. Aufl. 2006, meines Buchesüber „Täterschaft und Tatherrschaft“, S. 704 ff.12 Aus den letzten zehn Jahren: Roxin, in: Samson u.a. (Hrsg.),Festschrift für Gerald Grünwald zum siebzigsten Geburtstag,1999, S. 549; ders., in: Amelung (Hrsg.), Individuelle Verantwortungund Beteiligungsverhältnisse bei Straftaten inbürokratischen Organisationen des Staates, der Wirtschaftund der Gesellschaft, 2000, S. 52; ders., Strafrecht, AllgemeinerTeil, Bd. 2, 2003, S. 46 ff.; ders., in: Hoyer u.a. (Hrsg.),Festschrift für Friedrich-Christian Schroeder zum 70. Geburtstag,2006, S. 385; ders., ZStrR 125 (2007), 1.13 Wie Fn. 5, S. 627.Qualität arbeitsteilig geleisteter Beiträge. Derjenige, der anden Schalthebeln des Apparates Anweisungen gibt und derdie Tat später Ausführende haben meist keinen persönlichenKontakt, ja kennen einander in der Regel nicht einmal. DemBild einer „gemeinschaftlichen Begehung“, das § 25 Abs. 2StGB voraussetzt, entspricht das in keiner Weise.Entsprechendes gilt für die Anstiftung. Der Anstiftermuss die Entscheidung über die Tatbegehung dem Täterüberlassen, der Inhaber der Organisationsherrschaft muss diesgerade nicht. Der Anstifter muss sich einen individuell bestimmbarenTäter suchen, der im Rahmen einer deliktischenOrganisation Anordnende muss auch dies nicht, sondern kannsich auf quasi automatische Abläufe verlassen. Der Anstifterbleibt eine Randfigur der Tatbegehung, dessen Tatbeitrag nurwegen seiner tatauslösenden Qualität und mit zweifelhafterBerechtigung derselben Strafe wie der des Täters unterworfenwird. Der Organisationslenker ist demgegenüber eine Zentralgestaltdes Geschehens, wie dies der volkstümliche Begriffdes Schreibtischtäters anschaulich zum Ausdruck bringt.(Niemand würde von einem Schreibtisch-Anstifter sprechen.)Der einzige Grund für die von einigen Autoren propagierteAblehnung einer mittelbaren Täterschaft ist doktrinärerArt. Die „begriffliche“ Möglichkeit eines „Täters hinter dem(verantwortlichen) Täter“ wird bestritten, weil, wenn derAusführende die Tat in zurechenbarer Weise beherrsche,einem Hintermann nicht ebenfalls die Tatherrschaft zugesprochenwerden könne. Das ist aber falsch, weil es verschiedeneFormen von Tatherrschaft gibt, die durchaus neben- undhintereinander bestehen können. Die Herrschaft, die in dereigenhändigen Ausführung durch den Handelnden liegt,schließt die Herrschaft, die durch die Steuerung des Apparatesvermittelt wird, nicht aus. Die Annahme, dass es nur eineErscheinungsform von Tatherrschaft gebe, ebnet die deutlichgemachten Sachunterschiede bei der Deliktsbeteiligung einund verfehlt das Ziel einer differenzierenden, den realenGegebenheiten gerecht werdenden juristischen Begriffsbildung.Die Annahme einer „vertikalen“, hintereinander gestaffeltenTäterschaft sowohl des Anordnenden wie des Ausführendenentspricht in vollem Umfang der Funktionsweise derartigerStaatsdelinquenz: Ohne die Leute an der Spitze des Apparateswären die Verbrechen nicht möglich. Sie wären aberauch nicht möglich, wenn nicht die Staatsspitzen willigeExekutoren fänden, die sich als Schergen zur Verfügungstellen. Die Anordnenden und die Ausführenden sind gleichermaßenzentrale Faktoren bei der erfolgreichen Durchführungvon Systemverbrechen.Nach der weitgehenden internationalen Durchsetzung derRechtsfigur der Organisationsherrschaft, zu der die vorliegendeEntscheidung Wesentliches beiträgt, darf man annehmen,dass die Zahl ihrer Gegner allmählich abbröckeln wird.Dafür spricht auch, dass vier Dissertationen, die sich demThema bisher gewidmet haben, die Organisationsherrschaftals eigenständige Form mittelbarer Täterschaft anerkennen. 1414 Langneff, Die Beteiligtenstrafbarkeit von Hintermännerninnerhalb von Organisationsstrukturen bei voll verantwortlichhandelndem Werkzeug, 2000; Schlösser, Soziale Tatherr-_____________________________________________________________________________________566<strong>ZIS</strong> 11/2009

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