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Inhalt AUFSÄTZE ANHANG - ZIS

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Das Fujimori-Urteil: Zur Beteiligung des Befehlsgebers an den Verbrechen seinesMachtapparatesVon Prof. Dr. Rolf D. Herzberg, BochumDie Sonderstrafkammer des Obersten Gerichtshofs in Perubeurteilt Verbrechen, insbesondere Tötungen, die Angehörigedes geheimdienstlichen Sonderkommandos Colina begangenhaben. Sie macht den Ex-Präsidenten für sämtliche Straftatenverantwortlich, weil die Täter – so die Beweiswürdigung –auf seinen Befehl und in dessen Rahmen gehandelt hätten. Ersei aber nicht etwa Anstifter, sondern – als Inhaber derStaatsmacht und oberster Befehlshaber – mittelbarer Täter.Dass auch die Ausführenden selbst verantwortliche Täterseien, schließe die mittelbare Täterschaft des Angeklagtennicht aus. Sie folge aus Tatherrschaft in der Form der „Organisationsherrschaft“,aus der Beherrschung der fremdenTaten durch einen „organisatorischen Machtapparat“, derdem Befehlsgeber die Sicherheit des Erfolges verschafft habe.Was die Frage der Beteiligungsform betrifft, gewinnt das708 Seiten lange Urteil seinen erstaunlichen dogmatischenTiefgang dadurch, dass es Roxins Lehre auf das Ausführlichstewiedergibt und sie sich vollständig zu Eigen macht.Dies freilich auch ohne Kritik und ohne neue Argumente.Was an ihr problematisch ist, wird darum nur insoweit sichtbar,wie Roxins Beiträge es sichtbar machen.I. So zahlreich diese sind, enthalten sie doch keine einleuchtendeAntwort auf die Frage, was es in den umstrittenen Fälleneigentlich mit der Anstiftung auf sich hat. Der neuesteAufsatz überschreibt die ihr gewidmete Betrachtung mit„Ablehnung der Anstiftung“ und befindet, dass „die Annahmeeiner Anstiftung […] dem Gewicht von Anordnung undbefehlsgemäßer Ausführung in rechtsgelöst arbeitendenMachtapparaten“ widerspreche. 1 Das Fujimori-Urteil erspartsich die Begründung und betrachtet es schlicht als Fehlgriff,als ein „Verwechseln“ (confunden), wenn einige Autoren denBefehlsgeber als Anstifter statt als mittelbaren Täter ansehen.Man muss aber nur den Blick auf das Gesetz und den konkretenFall richten, um zu erkennen, dass die Ablehnung nichthaltbar ist.Angenommen, Fujimori hat im Fall La Cantuta 2 sein Instrumentzur Bekämpfung politischer Gegner, das SonderkommandoColina, in der besonders intensiven Weise betätigt,dass er höchstpersönlich den ausgewählten Colina-Leutendie Opfer, es waren neun Studenten und ein Dozent, benanntund den Mordbefehl erteilt hat. In Artikel 24 des peruanischenStrafgesetzbuchs heißt es: „El que, dolosamente, determinaa otro a cometer el hecho punible será reprimido conla pena que corresponde al autor“; zu Deutsch: „Wer vorsätzlicheinen anderen dazu bestimmt, die strafbare Tat zu begehen,wird mit der Strafe belegt, die dem Täter gebührt.“ 3 Und1 Roxin, ZStrR 125 (2007), 1 (5); ders., in: Hoyer u.a. (Hrsg.),Festschrift für Friedrich-Christian Schroeder zum 70. Geburtstag,2006, S. 387 (S. 391); vgl. auch Ambos, GA 1998,226 (233): „Anstiftung ist […] abzulehnen, weil sie den entscheidendenGesichtspunkt der Tatbeherrschung durch denHintermann vernachlässigt.“2 Vgl. Ambos, <strong>ZIS</strong> 2009, 552.3 Text und Übersetzung verdanke ich Florian Huber, UniversitätGöttingen, der mir beides freundlichst vorgelegt hat.unser § 26 StGB lautet: „Als Anstifter wird gleich einemTäter bestraft, wer vorsätzlich einen anderen zu dessen vorsätzlichbegangener rechtswidriger Tat bestimmt hat.“ Es istschlechterdings unbestreitbar, dass Fujimoris Befehl anderezur strafbaren bzw. vorsätzlich-rechtswidrigen Tat „bestimmthat“, also ein Anstiften im Sinne dieser Vorschriften war.Aber dasselbe würde für eine abstrakter umrissene Anweisungoder auch nur tatauslösende Gestattung gelten, etwa des<strong>Inhalt</strong>es, in der Universität Exekutionen durchzuführen gemäßMontesinos’ Festlegung, wer die Vollstrecker und werdie Opfer sein sollen. Es wäre dann nur für jeden Einzelfallzu prüfen, ob ein „Exzess“ vorliegt, d.h. ob die individuelleTötung aus dem Rahmen fällt, den Fujimoris Anstiftervorsatzzieht.Ambos sieht hier ein Argument, die Anstiftung „abzulehnen“,weil sie voraussetze, „daß unmittelbarer Täter und Tataus Sicht des Anstifters bestimmbar sind“. 4 Darum soll einMordbefehlsgeber, der gar nicht sagen kann, welche Taten,Täter und Opfer am Ende zu verzeichnen sein werden, für dieeinzelne Tötung zwar als mittelbarer Täter unter dem Aspektder „Organisationsherrschaft“, nicht aber als Anstifter haftenkönnen. Das ist nicht richtig. Es verschiebt die Grenzen, diedas Vorsatzerfordernis der Haftung zieht, nicht im Geringsten,dass man beim Veranlasser fremder Taten mittelbareTäterschaft statt Anstiftung annimmt. Morde, die außerhalbseines Vorstellungsrahmens liegen, kann der Verursachersowenig vorsätzlich „durch einen anderen begehen“, wie ervorsätzlich einen anderen dazu bestimmt haben kann.Ein historisches Beispiel: Hitler hat den Schlag gegen dieinnere Opposition am 30.6.1934 (durch Befehl oder Freigabe)ausgelöst und damit die Ermordung von gut 100 Menschen inBad Wiessee und Berlin verursacht („Röhm-Putsch“). Seineigener Todesverursachungsvorsatz hat gewiss die meistenMorde umfasst, denn er hatte seinen Schergen und Spießgesellen(Göring, Himmler, Heydrich) weitgehend freie Handgegeben, führende SA-Leute und politische Gegner auszuschalten.Nicht gedeckt war aber die Ermordung des völligunbeteiligten Musikkritikers Dr. Wilhelm Schmidt, den seineMörder mit dem SA-Gruppenführer Ludwig Schmitt verwechselthatten. Das gilt so oder so. Es spielt für die strafrechtlicheZurechenbarkeit und für die Notwendigkeit solcherDifferenzierung keine Rolle, ob man Hitlers Beteiligungausschließlich als Anstiftung oder auch als mittelbare Täterschaftbewertet. Man fühlt es nicht so deutlich wie bei derAnstiftung und wird vielleicht auch vom extensiven Fahrlässigkeitstäterbegriffverführt, aber die Vorsatztäterschaft istnun einmal kein Sammelbecken für sämtliche Morde, die einBefehl des Machthabers auslöst. Soweit wir ihm als TäterVorsatzdelikte zuschreiben wollen, gelten für die Rahmenbestimmungdieselben Kriterien, wie wenn wir uns auf dieAnnahme von Anstiftung beschränken.Auf einem anderen Blatt steht der Befund, dass Fälle desoffenen Vorsatzes, der unbestimmt viele Opfer einkalkuliert,unserer Dogmatik kaum beachtete Schwierigkeiten machen.Zugeschnitten ist die Vorsatzlehre auf die Konstellation, dass4 Ambos, GA 1998, 226 (232)._____________________________________________________________________________________576<strong>ZIS</strong> 11/2009

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