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2.1.5 Herz-Kreislaufstörungen und Lärm<br />
Andere als die oben dargestellten Endpunkte der Wirkungen von anthropogenen Umweltfaktoren<br />
haben bisher in der Öffentlichkeit, aber auch in der wissenschaftlichen Diskussion, relativ wenig<br />
Beachtung gefunden. Daß sie trotzdem eine wichtige gesundheitspolitische Relevanz besitzen können,<br />
zeigt die Diskussion über den Zusammenhang zwischen Herzinfarkt und Lärmexposition.<br />
Lärmbelastung kann im Sinne eines Stressors wirken, wobei sich die Streßreaktion nicht von der<br />
Wirkung anderer Stressoren unterscheidet, also unspezifisch ist. Diese Streßeffekte wirken sich im<br />
psychischen Bereich als Belästigung, Ärger und Anspannung sowie im vegetativen Bereich aus.<br />
Lärm kann auch bei niedrigen Schallintensitäten Streßreaktionen auslösen, wenn Aktivitäten wie<br />
Kommunikation und Konzentration oder Erholung und Schlaf durch den Lärm gestört werden. Allgemein<br />
treten im Zusammenhang mit Streß Verteidigungsreaktionen auf, die u.a. mit einer Erhöhung<br />
des Energieumsatzes, der Herzfrequenz, des Gefäßwiderstandes und gesteigerter Adrenalin- und<br />
Noradrenalinausschüttung verknüpft sind, die wiederum zu Veränderungen des Fettstoffwechsels<br />
führen.<br />
Zu den Belastungssituationen, die Verteidigungsreaktionen auslösen können, zählt u.a. der Straßenverkehrslärm,<br />
dem Anwohner vielbefahrener Straßen unter Umständen dauerhaft ausgesetzt sind. Zu<br />
den gesundheitlichen Wirkungen dieser Belastung liegen inzwischen zahlreiche epidemiologische<br />
Untersuchungen vor, die sich auf methodisch unterschiedliche Wege mit dem Zusammenhang von<br />
Verkehrslärm und streßbedingtem Herzinfarkt beschäftigen. Die dabei ermittelten Ergebnisse sind<br />
statistisch für jede Einzelstudie nicht oder nur annähernd gesichert (Irrtumswahrscheinlichkeit kleiner<br />
als 10 %). In der Gesamtsicht aller Studien zeigt sich jedoch konsistent eine Erhöhung des Herzinfarktrisikos<br />
um ca. 20 % bei Straßenverkehrsbelastungen mit Mittelungspegeln vor dem Wohnungsfenster<br />
von mehr als 65 dB (A) am Tage an.<br />
Ein relatives Herzinfarktrisiko von 1.2 bei einer Lärmbelastung von über 65 dB (A), das durch die<br />
Gesamtanalyse aller neueren Studien wahrscheinlich gemacht werden kann, würde bei der hohen<br />
Grundsterblichkeit an Herzinfarkt von etwa 10 % rechnerisch ein Lebenszeitrisiko von 1 : 50 für<br />
dauerhaft so hohen Lärmpegeln ausgesetzte Personen bedeuten, an einem lärmbedingten Herzinfarkt<br />
zu sterben. Dieses Risiko wäre um den Faktor 20 höher als das für Anwohner vielbefahrener Straßen<br />
geschätzte Risiko, an einer durch verkehrsbedingte Luftschadstoffe verursachten Krebserkrankung zu<br />
sterben. Betrachtet man zusätzlich die hohe Zahl von Personen, die dauerhaft Straßenverkehrslärmbelastungen<br />
über 65 dB (A) ausgesetzt sind, wird deutlich, daß es sich bei der häufig unterschätzten<br />
Lärmproblematik in Wahrheit um ein Thema von erstrangiger Bedeutung für den gesundheitlichen<br />
Umweltschutz handelt, das zumindest aus Vorsorgegründen erhebliche weitere Anstrengungen als<br />
bisher erfordert.<br />
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