APUG-Dokumentation Vollversion (PDF)
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mentelle Belastung von Menschen mit möglicherweise irreversibel schädigenden Stoffen verbietet<br />
sich aus ethischen Gründen. Denkbare Ausnahme wären Untersuchungen zur Auslösung reversibler<br />
akuter, z.B. allergischer Erscheinungen.<br />
Allerdings stehen aus epidemiologischen Untersuchungen an Arbeitsplätzen oder aus Einzelfallberichten<br />
Befunde über Schädigungen (z.B. Krankheitssymptome, Beschwerden etc.) zur Verfügung.<br />
Die verursachende Exposition mit dem angeschuldigten Stoff bzw. der Umweltnoxe ist jedoch häufig<br />
nicht mit ausreichender Genauigkeit nach Höhe und Dauer zu ermitteln. Schwierig zu bewerten sind<br />
insbesondere Sachverhalte, bei denen ein eindeutiger zeitlicher Zusammenhang zwischen der Gesundheitsbeeinträchtigung<br />
und der Exposition gegenüber einer Noxe fehlt und bei denen die Art der<br />
Gesundheitsstörung bislang weder aus Tierversuchen noch aus Ereignissen mit unbeabsichtigter<br />
Exposition, z.B. im Arbeitsplatzbereich, bekannt geworden ist. Liegen jedoch verwertbare Daten über<br />
die ungünstigen Auswirkungen eines Stoffes beim Menschen vor, so haben diese Befunde für die<br />
Beurteilung des entsprechenden Stoffes einen deutlich höheren Stellenwert als die Befunde aus Tierversuchen<br />
und werden diesem Stellenwert entsprechend in der Risikobetrachtung eingesetzt.<br />
Neben der systematischen Erfassung des toxikologischen Profils von Neustoffen hat die Toxikologie<br />
die Aufgabe, die Wirkmechanismen schädigend wirkender Stoffe sowie die Kinetik dieser Stoffe im<br />
Organismus und die am Abbau beteiligten Enzyme zu untersuchen. Diese „Grundlagenforschung“<br />
trägt dazu bei, besser zu verstehen, ob Befunde, die im Tierversuch erhalten werden, auf den Menschen<br />
übertragbar sind und ob Beschwerden, die von einzelnen Personen angegeben werden, mit der<br />
Exposition gegenüber einem bestimmten Stoff in Zusammenhang stehen. Letztlich können die Ergebnisse<br />
dieser Forschung auch genutzt werden, um angemessene Vorsorgemaßnahmen zu treffen.<br />
Trotz der langjährigen Entwicklung toxikologischer Prüfstrategien am Tier und der Erfahrungen in<br />
der Interpretation dabei erhobener Befunde bleiben nach wie vor gewisse Bewertungsunsicherheiten.<br />
Sie betreffen einerseits die Erfassung möglicher Schädigungen des Immunsystems (Immuntoxikologie)<br />
und des Nervensystems (Neurotoxizität). Das Interesse an diesen Fragen wurde geweckt durch<br />
entsprechende Befunde bei exponierten Personen, die zum Teil nicht klar interpretiert werden können.<br />
Andererseits bestehen Schwierigkeiten konzeptioneller Art. Kann und soll man z.B. eine Studie<br />
verwerten, in der die Testbedingungen nicht eindeutig beschrieben wurden? Soll man eine Studie, die<br />
vielleicht nur eine begrenzte, möglicherweise für die Beobachtung des interessierenden Effektes zu<br />
kurze Zeit durchgeführt wurde, zur Bestimmung eines NOAEL nutzen? Wie behandelt man Ergebnisse,<br />
die an einer Tierspezies gewonnen wurden, bei der grundlegende Unterschiede zum Menschen<br />
bekannt sind? Dürfen Daten aus hohen Expositionen in den Niedrigdosisbereich extrapoliert werden?<br />
Das vorhandene Instrumentarium und die über lange Jahre erworbene Erfahrung bei der Interpretation<br />
von Befunden, zusammen mit wissenschaftlicher Offenheit und methodenkritischem Verständnis,<br />
bieten trotz der oben aufgezeigten Grenzen derzeit die einzig mögliche Grundlage für die Abschätzung<br />
der gesundheitlichen Risiken von Chemikalien. Dennoch kann und muß die bestehende Methodik<br />
verbessert werden. Mittelfristig sollten dringend Methoden entwickelt werden zur Verbesserung<br />
der Interspeziesextrapolation, zur metaanalytischen Auswertung mehrerer tierexperimenteller Studien<br />
und zur besseren Erfassung der Exposition, insbesondere bei Verbraucherprodukten.<br />
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