Johannisburger r Heimatbrief 2002 - Familienforschung S c z u k a
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Archiv der Kreisgemeinschaft Johannisburg e.V<br />
und Gefahren, nur in Etappen bewegen<br />
sich die Brüder langsam in Richtung Westen.<br />
Am 6.10.1920, nach 6 Jahren und<br />
einem Monat, erreichen sie den heimatlichen<br />
Hof und ihre Familie.<br />
Diesen Bericht, vom Verfasser mit der Überschrift<br />
versehen ,“Jugendbeschreibung ,<br />
der Marsch nach Sibirien“ übersandte uns<br />
Gertrud Reipa, Steinstr. 7, 21409 Embsen,<br />
Krs. Lüneburg<br />
UNTER FREMDER<br />
HERRSCHAFT<br />
Schändliche Broträuber zeigen Reue/<br />
Ein Bericht aus schwerer Zeit<br />
Ostpreußen im Frühjahr 1946. An der Bootsanlegestelle<br />
des Roschsees, der zur masurischen<br />
Seenplatte gehört, ist eine Gruppe<br />
Frauen unter der scharfen Bewachung<br />
sowjetischer Soldaten damit beschäftigt,<br />
Fische zu putzen, einzusalzen und für den<br />
Abtransport in die Sowjetunion in Fässer zu<br />
verpacken. Einige alte Männer und Jungen,<br />
die in normalen Zeiten noch die Schule<br />
besucht hätten, sind von der Militärkommandantur<br />
zum Fischfang abkommandiert<br />
worden. Alle übrigen Männer und fast<br />
alle arbeitsfähigen Frauen waren längst in<br />
Gefangenschaft genommen.<br />
Unter den Frauen, die sich allmorgendlich,<br />
wenn die Fischerboote mit ihrem Fang vom<br />
See zurückkommen, zur Arbeit einzufinden<br />
haben, ist auch Ida aus dem fünf<br />
Kilometer entfernten Groß Zechen. Obwohl<br />
die Arbeit im kalten Wasser sehr beschwerlich<br />
und der tägliche Weg durch Feld und<br />
Wald wegen umherschweifender Soldaten<br />
gefährlich ist, kommt ihr die Tätigkeit nicht<br />
ungelegen. Meistens gelingt es ihr, den<br />
einen oder anderen Fisch beiseite zu schaffen<br />
und am Abend, mit einem Bindfaden<br />
unter dem Rock befestigt, durch die Kontrollen<br />
zu schmuggeln. Von der daraus<br />
bereiteten Fischsuppe kann sie den ärgsten<br />
Hunger der Familie stillen und auch<br />
<strong>Johannisburger</strong> <strong>Heimatbrief</strong> <strong>2002</strong><br />
www.Kreis-Johannisburg.de<br />
noch ihre kränkliche Schwägerin und die<br />
über 80jährige Tante mit ernähren.<br />
In der Frühe hatte sie sich von ihren Jungen<br />
Helmut und Herbert, elf und sieben Jahre<br />
alt, verabschiedet und jedem ein Stückchen<br />
Brot als Tagesration und dazu die<br />
Ermahnung gegeben, sofort ihre Verstekke<br />
aufzusuchen, falls sich Soldaten auf der<br />
Landstraße nähern. Doch trotz aller Vorsicht<br />
gelingt es ihnen an diesem Tag nicht<br />
rechtzeitig, zwei ins Gehöft eindringenden<br />
Soldaten zu entkommen. In dem längst<br />
ausgeraubten Anwesen findet sich aber<br />
keinerlei Beute mehr, und so nehmen sie<br />
kurzerhand den Kindern ihr Stückchen Brot<br />
weg. .<br />
Als Ida am Abend von dem Vorfall erfährt,<br />
schlagen Zorn und Erbitterung über ihr<br />
zusammen. Sie vergißt am nächsten Morgen<br />
jegliche Vorsicht - der Gluckeninstinkt<br />
ist stärker - und trägt dem wachhabenden<br />
sowjetischen Offizier die Schandtat vor:<br />
„Während ich hier für euch arbeite, rauben<br />
die Soldaten meinen Kindern das letzte<br />
Stück Brot.“ Der Offizier hört sich die Anklage<br />
schweigend an und dreht sich weg. Die<br />
befürchtete, sonst übliche Maßreglung<br />
bleibt aus.<br />
Groß ist Idas Erstaunen am nächsten<br />
Abend: Als sie todmüde von der Arbeit<br />
nach Hause kommt, berichten ihre Jungen,<br />
daß die Broträuber tagsüber wieder gekommen<br />
seien und ihnen aus ihrer Ration<br />
ein Stück Brot gebracht hätten. - Solch<br />
seltenes Aufblitzen mitfühlender Gerechtigkeit<br />
in einer Zeit, in der Unmenschlichkeit<br />
den Tag bestimmte, ließ die verzweifelten<br />
Menschen auf eine bessere und friedlichere<br />
Zeit hoffen und gab Kraft zum Überleben.<br />
Hilde Mursa<br />
Aus: „Ostpreußenblatt”<br />
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