Johannisburger r Heimatbrief 2002 - Familienforschung S c z u k a
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Archiv der Kreisgemeinschaft Johannisburg e.V<br />
MEINE GLÜCKLICHE<br />
KINDHEIT IN JOHANNISBURG<br />
(1920–1934)<br />
Von Dr. rer. nat Dr. sc. phil. Gerd Bauer,<br />
Rudolfstr. 6, 24837 Schlesien<br />
Am 23. Januar 1920 wurde ich in Lyck<br />
geboren. Sechs Wochen nach meiner Geburt<br />
zogen meine Eltern nach Johannisburg,<br />
wo ich bis zu meinem 14. Lebensjahr<br />
eine glückliche Kindheit verlebte. Ich fühle<br />
mich daher als „<strong>Johannisburger</strong>“. Die Stadt<br />
und die herrliche urwüchsige Natur der<br />
masurischen Wälder und Seen prägten<br />
mein Wesen und hinterließen tiefe Verbundenheit<br />
und unvergeßliche Erinnerungen,<br />
die ich wie einen kostbaren Schatz hüte.<br />
Mein Vater wurde von Rechtsanwalt von<br />
Lojewski 1920 nach Johannisburg geholt,<br />
wo er als Chefredakteur in der „<strong>Johannisburger</strong><br />
Zeitung“ mit Dr. Max Krause zusammenarbeitete.<br />
Wir bezogen zuerst eine sehr große Wohnung,<br />
Fischerstraße 1, bei Bäckermeister<br />
Christowzik mit 7 Zimmern in einer Flucht.<br />
Oft war ich in der Backstube auf dem Hof<br />
und beobachtete mit großem Interesse<br />
alle Backvorgänge. Im Hinterhof wohnte<br />
eine sehr arme Familie mit vielen Kindern,<br />
mit denen ich gern spielte.<br />
Das Nachbarhaus Richtung Markt gehörte<br />
dem jüdischen Mehlhändler Bischoff. Mit<br />
seinen etwas älteren Töchtern spielte ich<br />
gern auf einem Sandhaufen neben dem<br />
Haus.<br />
Im Sommer war ich oft auf der „Bleiche“ am<br />
Pissek und schaute von der hölzernen<br />
Treppenbrücke auf den Grund des sehr<br />
klaren Flusses, wo sich das grüne Kraut<br />
der Wasserpest in der Strömung bewegte,<br />
fing am Ufer mit der Hand Stichlinge oder<br />
sah am Südende der Wiese den Seilerarbeiten<br />
zu. Als ich dort einmal mit vielen<br />
anderen Kindern als Zuschauer vom Anle-<br />
<strong>Johannisburger</strong> <strong>Heimatbrief</strong> <strong>2002</strong><br />
Johannisburg<br />
www.Kreis-Johannisburg.de<br />
gesteg ein Schiffchen schwimmen ließ,<br />
wurde ich von einem größeren Jungen<br />
gestoßen und fiel rückwärts in das tiefe<br />
Wasser. Damals war ich etwa 4 Jahre alt<br />
und konnte natürlich nicht schwimmen,<br />
„paddelte“ aber instinktiv in die Richtung<br />
zum Ufer. Dort konnte ich aber über die<br />
erhöhten Faschinen nicht an Land. Meine<br />
jüngere Schwester Brigitte, die weinend<br />
am Ufer stand, reichte mir die Hand, und so<br />
konnte ich mich hochziehen und war gerettet.<br />
Vollkommen nass und mit Teer beschmiert,<br />
gingen wir am Flußufer nach<br />
Hause. Die Leute am Wege lachten amüsiert,<br />
sie wußten nicht, daß ich einem frühen<br />
Tod entronnen war.<br />
Ich hatte Angst, nach Hause zu gehen, da<br />
meine Mutter verboten hatte, am Fluss zu<br />
spielen. Auf dem Hof angekommen, schaute<br />
meine Mutter gerade aus dem Fenster<br />
und war entsetzt, als sie mich in diesem<br />
triefenden Zustand sah. Ihr Schreck war so<br />
groß, daß ich weder Schelte noch Prügel<br />
bekam, auch weil meine Schwester immer<br />
bat, mich nicht zu „hauen“. Überall auf der<br />
Haut hatte ich Teerflecken, die mit Benzin<br />
entfernt werden mußten, zusätzlich zu meinem<br />
Kummer aber trotzdem noch längere<br />
Zeit schwärzlich blieben.<br />
Wir hielten uns oft auf dem Kirchplatz auf,<br />
wo in der Nähe mein Vater und Tante Mia in<br />
der „<strong>Johannisburger</strong> Zeitung“ tätig waren.<br />
Als wir eines Tages gegen Mittag zum<br />
Essen nach Hause gehen wollten, war der<br />
Markt in der Nähe des Rathauses in eine<br />
dichte Rauchwolke gehüllt, es brannte im<br />
Hinterhaus an unserer Wohnung beim Bäckermeister<br />
Christowzik, Leute schleppten<br />
schon Gegenstände aus unserer Wohnung<br />
auf die Straße. Ein Dienstmädchen fing uns<br />
ab und brachte uns zu der befreundeten<br />
Familie Kaiser, die in der Nähe der Post<br />
wohnte. Dort bekamen wir ein Mittagessen.<br />
Nach mehreren Stunden durften wir<br />
endlich nach Hause gehen. Unsere Wohnung<br />
war glücklicherweise verschont ge-