Johannisburger r Heimatbrief 2002 - Familienforschung S c z u k a
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Archiv der Kreisgemeinschaft Johannisburg e.V<br />
DAS SOLLTEN WIR NICHT<br />
VERGESSEN<br />
Gertrud Dornheim, geb. Laschinski, eine<br />
<strong>Johannisburger</strong>in , berichtet über ihren<br />
Aufenthalt in dänischen Lagern (vgl. den<br />
ersten Teil ihres Berichtes über die Flucht<br />
im <strong>Heimatbrief</strong> 2001)<br />
Von Kopenhagen aus fuhren wir mit einem<br />
Güterzug nach Korsör. Dort erhielten wir<br />
Verpflegung, und vier Stunden später ging<br />
es mit der Fähre ca. eineinhalb Stunden<br />
nach Nyburg. Im sehr kalten Güterwagen<br />
haben wir übernachtet. Morgens 5 Uhr<br />
ging es dann weiter zur Insel Fünen nach<br />
Svendburg und von da nach Ollerup, am<br />
26.3.45. Gegen 10 Uhr kamen wir dort auf<br />
dem Bahnhof an, wo uns die deutsche<br />
Wehrmacht in Empfang nahm . Ich schätze,<br />
wir waren gut 1000 Personen. Wir kamen<br />
in der dänischen Gymnastikschule<br />
unter, wo sich zum Teil auch die Wehrmacht<br />
aufhielt. Die Schule bestand aus<br />
einem Hauptgebäude und vielen Nebengebäuden,<br />
z. B. Reithalle, Gymnastikhalle<br />
und Schwimmhalle. Aus dem Becken der<br />
Schwimmhalle ließ man das Wasser heraus,<br />
stellte primitive Betten auf und legte<br />
auch Stroh hin, um dort Flüchtlinge unterzubringen.<br />
Viele wurden krank in der feuchten,<br />
kalten Halle. In der Reithalle waren<br />
Frauen mit Babys und Kleinkindern untergebracht.<br />
Nachts kamen die Ratten und<br />
knabberten mehrfach den Babys die Finger<br />
ab.<br />
Wir erhielten dann das Zimmer Nr. 59 im<br />
Dachgeschoss des Hauptgebäudes, ein<br />
sehr schönes Zimmer mit Ausblick auf Wiesen<br />
und Felder. Wir wohnten hier mit sechs<br />
Personen, meine Mutter, ich und vier weitere<br />
junge Mädchen. Man sprach immer von<br />
der Mutter mit den fünf Töchtern. Kaltverpflegung<br />
für Frühstück und Abendbrot erhielten<br />
wir täglich um 17 Uhr. Das Essen<br />
war gut. Am 29.3. feierte die Kompanie<br />
einen Abschiedsabend, und die Flüchtlinge<br />
waren dazu eingeladen. Da wir uns frei<br />
bewegen konnten und das Lager verlas-<br />
<strong>Johannisburger</strong> <strong>Heimatbrief</strong> <strong>2002</strong><br />
www.Kreis-Johannisburg.de<br />
sen durften, machten wir am 30.3. einen<br />
ausgiebigen Spaziergang und brachten<br />
viele Veilchen und andere Blumen mit, die<br />
schon blühten. Am Ostersonntag, dem<br />
31.3., versuchten wir das Fest zu gestalten:<br />
Wir höhlten Eier aus, bemalten sie und<br />
steckten unsere gesammelten Blümchen<br />
hinein. Ständer für die Ostereier bastelten<br />
wir auch sowie Tischkarten in Ostereierform.<br />
Am Abend erhielten wir von der Wehrmacht<br />
die ersten sieben Kronen. Von diesem<br />
Geld kaufte ich eine Seifendose und<br />
eine Nagelbürste.<br />
Am Ostermontag, dem 1.4., wurden wir alle<br />
im großen Eßsaal von den Soldaten zum<br />
Kaffee eingeladen. Kuchen gab es in rauen<br />
Mengen. Die Rekruten aus Ost und<br />
West schenkten Kaffee ein und bedienten<br />
uns. Dann kam der Osterhase und brachte<br />
jedem drei gefärbte Eier und meiner Mutter<br />
einen schönen Osterlilienstrauß.<br />
Ins Kino, es befand sich im großen Speisesaal,<br />
gingen wir auch recht oft. Am 4. April<br />
wanderten wir sechs ins nächste Dorf, um<br />
Torte mit echter Schlagsahne zu essen. -<br />
Am 5. April bekam ich über Nacht einen<br />
dicken Hals und konnte nicht schlucken.<br />
Der Wehrmachtsarzt machte gleich einen<br />
Abstrich und pinselte den Hals mit einem<br />
lila Zeug aus und am Nachmittag noch<br />
einmal. Am nächsten Tag musste ich dann<br />
ins Krankenrevier und bekam gleich eine<br />
Spritze gegen Diphtherie. Der Sanitäter,<br />
Onkel Wilhelm genannt, war sehr nett.<br />
Er pinselte zweimal meinen Hals, versorgte<br />
mich mit Tabletten und achtete drauf, daß<br />
ich auch gurgelte. An der Zimmertür hatten<br />
sie ein Schild angebracht: „Betreten verboten<br />
-Ansteckungsgefahr”. Onkel Wilhelm<br />
sagte: „In deinem Hals sieht es aus wie im<br />
Klo. Besuch ist nur auf dem Flur erlaubt und<br />
die Zimmertür ist dann auf.” Ich lag jetzt mit<br />
einem Mädchen aus Ostpreußen zusammen,<br />
das auf dem Haff verwundet worden<br />
war. Wir beide waren die einzigen Mädchen<br />
hier und wurden von den Soldaten<br />
sehr verwöhnt. Mein Abstrich kam zurück:<br />
Positiv. Jeglicher Besuch verboten. Der<br />
zweite und der dritte Abstrich waren eben-<br />
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