Johannisburger r Heimatbrief 2002 - Familienforschung S c z u k a
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Archiv der Kreisgemeinschaft Johannisburg e.V<br />
paradies“ aufwuchsen. Auch für meine<br />
Schwester und mich waren dieser Garten<br />
am Fluss und die freie Natur hinter dem<br />
Gartenzaun ein wahres Kinderparadies.<br />
Mein Freund Alexander Schmidt, Sohn des<br />
Oberstudiendirektors, der gegenüber der<br />
Straße im Realgymnasium wohnte, war mehr<br />
bei uns als zu Hause.<br />
Als ich 11 Jahre war ,nahm ich Klavierunterricht<br />
bei Frau Kerutt, die mir nach einer<br />
besonderen Methode zuerst das Auswendigspielen<br />
beibrachte, und erst später<br />
wurde ich in die Kunst des Klavierspiels<br />
nach Noten eingeführt. Jede Melodie, die<br />
ich singen konnte ,spielte ich nun in jeder<br />
Tonart und sogar mit Begleitung einfach<br />
nach dem Gehör.<br />
Da meine Eltern mit der Familie Bogdan<br />
befreundet waren - Besitzer des Möbelhauses<br />
und des Kinos - standen immer<br />
Logenplätze für uns frei zur Verfügung, so<br />
gingen wir besonders am Sonntagnachmittag<br />
zu den Kinoveranstaltungen. Zu<br />
Hause angekommen, spielte ich dann die<br />
schönsten Filmmelodien auf dem Klavier<br />
nach Gehör.<br />
Meine Eltern waren mit dem katholischen<br />
Pfarrer Nadolski eng befreundet. Er wohnte<br />
mit seiner Schwester neben dem katholischen<br />
Gotteshaus in der Graf-Yorck-Straße.<br />
Wir waren dort oft zu Besuch.<br />
Sehr bewunderte ich seine Fähigkeit, ein<br />
Radio selbst zu basteln. Jedes Mal gab es<br />
technische Verbesserungen, die er mir<br />
vorführte. Als ich eines Tages am Fluss<br />
spielte, obgleich meine Tante es verboten<br />
hatte - meine Eltern waren zur Zeit verreist<br />
- lud er mich zu einer Motorbootsfahrt zum<br />
Roschsee ein, wo er angeln wollte. Unterwegs<br />
überraschte uns ein Gewitter mit<br />
Wolkenbruch. Vollkommen durchnässt,<br />
musste ich im Pfarrhaus erst trockene Sachen<br />
anziehen. Pfarrer Nadolski benachrichtigte<br />
telefonisch meine Tante, die sich<br />
schon große Sorgen gemacht hatte. Zu<br />
Hause bekam ich von meiner Tante, die<br />
mich sonst so lieb hatte, viel Schläge.<br />
Wie schnell ist diese selige Kindheit doch<br />
vergangen.<br />
<strong>Johannisburger</strong> <strong>Heimatbrief</strong> <strong>2002</strong><br />
www.Kreis-Johannisburg.de<br />
Am 1. Mai 1934 zogen meine Eltern nach<br />
Tilsit, wo ein ganz anderer Abschnitt meines<br />
Lebens beginnen sollte. Ich fühlte mich<br />
wie aus dem Paradies vertrieben. In den<br />
Sommerferien fuhr ich zu meinem Freund<br />
Alexander nach Johannisburg, wo wir wie<br />
früher umherstreiften und Radausflüge<br />
unternahmen, Alexander spielte gern mit<br />
Soldaten, und da ich in Tilsit bereits ein<br />
„chemisches Labor“ in der Bodenkammer<br />
besaß, sollte ich unbedingt ein Nebelpulver<br />
herstellen und mitbringen. Am Tage meiner<br />
Ankunft mußte das Pulver sofort ausprobiert<br />
werden. Die Wirkung war gewaltig:<br />
das gesamte Treppenhaus war von<br />
dichtem Nebel erfüllt, es stank außerdem<br />
stark nach Chlor. Frau Schmidt eilte erschreckt<br />
herbei, sagte aber nichts. Offensichtlich<br />
respektierte sie mich als Gast des<br />
Hauses.<br />
Meine Besuche in Johannisburg wiederholten<br />
sich noch einige Male, aber in das<br />
Paradies meiner Kindheit fand ich nun nicht<br />
mehr.<br />
Im Laufe der Jahre bin ich an vielen Orten<br />
„heimisch“ geworden, aber die eigentliche<br />
Heimat ist immer Johannisburg geblieben,<br />
die Erinnerung an die Menschen dieser<br />
Stadt und die vertraute und liebgewonnene<br />
Umgebung meiner glücklichen Kindheit.<br />
Vater des Einsenders 1935