Innenland: Ein Wegweiser in die Seele der Bibel und in ... - Plough

Eberhard Arnold - Innenland 204
Von der alten Gefahr mönchisch absterbender Abgeschiedenheit
ist selbst Augustin 38 nicht immer frei geblieben. Er konnte
das Eingehen in die Freude darin sehen, dass die Seele mit
aller ihrer Vorstellungskraft und Einbildungskraft zum Schweigen
käme, bis sie selbst von ihrer Versenkung fortgerissen und
verschlungen würde.
Selbstbesinnung in Gott bewirkt jedoch niemals Betäubung,
sondern vielmehr lebendige Konzentration aller Kräfte; sie bewirkt
Klärung des Urteils und Erstarkung des Charakters. Gott
ist persönlicher und heiliger Wille. Er hat nichts von einem
dunklen Urgrund in sich, in dem alles versinken könnte. Der
dunkle Sumpf unseres Unterbewusstseins, der tiefste Grund
unserer eigenen Seele, ist nicht der Gott, der uns erlöst; er
ist nicht mehr als ein unergründlicher Spiegel unserer Eigenheit
in allen ihren guten und schlechten Erlebnissen. Gott, der
ganz andere Gott, will diese Nacht erhellen, damit wir wie der
verlorene Sohn zu uns selbst kommen und die Nähe Gottes als
das Offenbarwerden der verborgensten Finsternis und als das
Hereinbrechen des Lichtes ersehnen und erfassen.
Durch stumme Verzweiflung hindurch müssen wir aus der
Gleichgültigkeit zu der heiligen Stille inneren Friedens vordringen.
Hildebert von Tours 39 bringt dies mit folgenden Worten zum
Ausdruck:
“Es gibt ein dreifaches Schweigen. Das erste kommt aus der
Unbekanntschaft mit der Not, das zweite aus der Verzweiflung
an der Rettung, das dritte aus dem Gefühl wiedererlangter
Lebenskraft. Bevor das Gesetz in die Welt trat, erkannte der
Mensch seine Krankheit nicht; darum schwieg er und fragte
nach keiner Hilfe. — Als das Gesetz gegeben war, deckte es
die bösen Wunden auf; das Schweigen löste sich sofort; die
Kranken suchten Hilfe bei den Werken des Gesetzes. Aber all
ihr Suchen war hier vergeblich; müde und matt vom Seufzen
und Schreien verstummten sie wie darum. – Endlich ist nun
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38 augustinus, aurelius, 354-430, abendl. Kirchenvater
39 hildebert von tours, 1055-1133
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