Innenland: Ein Wegweiser in die Seele der Bibel und in ... - Plough

Eberhard Arnold - Innenland 254
Finsternis ist, wie groß wird dann die Finsternis sein“" (Mt.6,23).
Ohne geöffnete, dem göttlichen Licht zueilende Augen sind und
bleiben wir blind. Wie ein Blindgeborener durch die Vorstellungen
und Begriffe seines Verstandes niemals sein Augenlicht
ersetzen kann, kann uns auch die Schärfe unserer eigenen
Vernunft niemals zu innerem Licht verhelfen. Nur das Öffnen
des inneren Auges durch die Sonnenkraft bringt uns das Licht,
das aus der fernen Gottesnähe auf uns einstrahlt.
Der Glaube ist ein Licht Gottes, das aller menschlichen Vernunft
überlegen bleibt. Das Glaubenslicht ist nichts anderes als
das Herannahen und Eingreifen Gottes. Wer in der Sonne ist,
dem mangelt nicht das Licht. Sobald das innere Auge erleuchtet
und gesammelt – “einfältig" – auf den einen Herrscher des
Zentralfeuers gerichtet ist, wird alles licht und klar.
Dem Auge des Glaubens ist es gegeben, das vollkommene
Licht zu sehen und zu fassen. „Wär' nicht das Auge sonnenhaft,
die Sonne könnt' es nie erblicken.“ 57 So achte darauf, dass das
Licht in dir nicht verdunkelt wird! Wenn dein Licht keine Finsternis
in sich hat, so wird es ganz licht sein, wie wenn ein heller
Blitz dich durchleuchtet.
Mit elementarer Macht naht die Erleuchtung Gottes. Unvergesslich
sind die Augenblicke, in denen ein heller Blitz die tiefschwarze
Hülle der Nacht aufdeckt, jedes Versteck enthüllt und
alles Gewürm des Dunkels ans Licht bringt, jenes Raubzeug
der Nacht, das sich jedem Lichtstrahle entziehen möchte. „Wer
Arges tut, hasset das Licht. Er will nicht ans Licht kommen, auf
dass seine Werke nicht gestraft werden“ (Joh.3,20). Größer
aber als der Blitz der Nacht ist der Anblick des Sonnenaufgangs,
besonders dort, wo unsere nordische Dämmerung den Gegensatz
zwischen Tag und Nacht nicht zu verschleiern sucht. Mit
dem Licht erwacht das Leben. Die Vögel des Tages singen, die
Blumen des Lichtes öffnen sich und das ganze Land erstrahlt im
Morgenglanz. So ist es, wenn der Morgenstern Gottes den Sonnenaufgang
des Lebens heraufbringt. Wer das Licht ersehnt,
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57 von Johann wolfgang von Goethe, 1749-1832, dt. Dichter. Dieser
Spruch Goethes in den Zahmen Xenien ist die getreue Übersetzung eines
Satzes des philosophen plotinos (um 205-270).
w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n