Hassrede/ Hate Speech - Allgemeine Linguistik
Hassrede/ Hate Speech - Allgemeine Linguistik
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<strong>Hate</strong> <strong>Speech</strong> als literarische Rhetorik 113<br />
ßen, die dem Sarkasmus Heines vorausgeht. Die Wiederholung verletzender<br />
Rede steht also nicht nur im Zeichen der Subversion. Sie steht zudem im<br />
Zeichen der Kompensation eines Phänomens, welches auch für die Frage<br />
nach dem Sarkasmus von grundlegender Relevanz ist: Der Internalisierung<br />
verbaler Verletzung. In diesem Zusammenhang spricht Butler gar von einer<br />
traumatischen Erfahrung, aus welcher die hate speech hervorgehe. (ebd.)<br />
5. <strong>Hate</strong> speech als subversive Zitation<br />
Es gibt nun noch einen Aspekt zu bedenken, wenn man Sarkasmus mit Butler<br />
denkt: Die Kategorie des Zitats. Was wird da eigentlich zitiert? Freilich<br />
kann man Sarkasmus im Sinne einer hate speech nicht verstehen ohne den<br />
Hintergrund der Stereotypisierung jüdischer Intelligenz im neunzehnten<br />
Jahrhundert. Sarkastisch wird die Literatur Heinrich Heines oder Moritz<br />
Saphirs, Karl Kraus’ oder Kurt Tucholskys, Alfred Kerrs oder Maximilian<br />
Hardens nicht aus sich selbst heraus. Vielmehr sind es die in der Romantik so<br />
populäre Mär vom „ewigen Juden“ sowie das seit dem Auftreten Heines vor<br />
allem in Bayern und Preußen sich häufende Ressentiment gegenüber dem<br />
sogenannten „Judenwitz“, aus denen der Sarkasmus hervorging. Und zweifellos<br />
geht es darum, die Wechselwirkung von Sarkasmus als Verfahren und<br />
Sarkasmus als Stereotype zu verstehen. Die Wiederholung verletzender Rede<br />
steht also nicht nur im Zeichen der Subversion. Sie steht zudem im Zeichen<br />
der Kompensation eines Phänomens, welches auch für die Frage nach dem<br />
Sarkasmus von grundlegender Relevanz ist: Der Internalisierung verbaler<br />
Verletzung. In der Tat steht am Anfang der gesamten Diskussion um den<br />
sarkastischen „Judenwitz“ eine solche Internalisierung: August Graf Platen<br />
von Hallermündes Polemik gegen den „beschnittenen“, nach „Knoblauch<br />
stinkenden“ Heinrich Heine: Eine Aggression, die Heine freilich in einer zu<br />
diesem Zeitpunkt in der deutschsprachigen Literatur beispiellosen Polemik<br />
konterte. Dass sich solche Internalisierungen verbaler Aggression zu Beginn<br />
des zwanzigsten Jahrhunderts radikal gesteigert haben, lässt sich vor allem in<br />
der expressionistischen Berliner Moderne beobachten. Eine der extremsten<br />
Interpretationen des von Saphir als jüdisch gedeuteten Lachens findet sich in<br />
Salomon Friedländers „Unroman“ Die Bank der Spötter von 1919:<br />
Man beschloß, den Antisemitismus auf alle Art zu fördern, weil er die einzige<br />
Möglichkeit bot, ein Volk der Erde zum boshaften Amüsement für die übrigen<br />
zu machen, zum Gelächter der Welt. Das herzlich schadenfrohe Lachen<br />
des ehrlichen Judenhasses, die heitere Sehnsucht nach Pogroms, die lächelnd<br />
lechzende Vorfreude darauf, die Verwandlung der Juden in einen ethnologischen<br />
Kalauer [...] war der verheißungsvolle Ansatz zu einer lachenden, sich