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Hassrede/ Hate Speech - Allgemeine Linguistik

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246 Björn Technau<br />

Sprachgemeinschaft ein Wort als diskriminierend empfinden, dann wird sich<br />

der Einzelne dieser vorherrschenden Interpretation früher oder später beugen<br />

müssen. Entschuldigende Hinweise wie der, dass es ja nicht so gemeint gewesen<br />

sei, funktionieren dann immer schlechter. Auf der anderen Seite befördert<br />

das Tabu laut der bereits weiter oben erwähnten These von Andrews<br />

(1996) das Überleben des Wortes in alternativen sozialen Kontexten. Diese<br />

These lässt sich mithilfe meiner Gesprächsaufzeichnungen stützen, in denen<br />

weiße Sprecher das Wort Neger in ihrem gemeinsamen Mikrokosmos mit<br />

humoristischen Absichten einsetzen. Das bei dieser Verwendungsweise intendierte<br />

Konterkarieren rassistischen Gedankenguts würde ohne das zuerst<br />

aufgestellte Tabu überhaupt nicht funktionieren. Für Kelly (2010) ist der<br />

Blick auf Kontext und Gesprächsmodalität jedoch irrelevant, denn „das N-<br />

Wort samt all seinen Wortschöpfungen wird stets eine rassistische Beleidigung<br />

sein, egal in welchem Zusammenhang oder von wem es benutzt<br />

wird.“ Sie plädiert deshalb für eine gesetzliche Unterbindung aller Verwendungsweisen:<br />

Es ist Zeit, dass diese Tatsache von der weißen Mehrheitsgesellschaft anerkannt<br />

wird und Strategien der Nichtverwendung rechtlich und politisch verankert<br />

werden. (Kelly 2010, 166)<br />

Ich selbst halte angesichts der vielfältigen Verwendungsweisen eine pauschale<br />

Regelung für den falschen Ansatz. Auch Kennedy (1999) lehnt solche<br />

Forderungen nach allumfassender Sprachbereinigung ab und verweist auf<br />

Romane, Theaterstücke, Scherze und Songs, die das Wort nigger beinhalten<br />

und seiner Meinung nach eine kulturelle Bereicherung für die amerikanische<br />

Gesellschaft darstellen:<br />

I find pleasure in the routines of satirists like Chris Rock and others who deploy<br />

the N-word in ways that some critics of nigger find mightily upsetting. I<br />

savor these performances and think that without them our culture would be<br />

significantly diminished without attaining benefits that would warrant the sacrifice.<br />

(Kennedy 1999, 91)<br />

Dass die „endgültige Abschaffung des Wortes [Neger]“ in Deutschland noch<br />

nicht umgesetzt wurde, bedeutet für Kelly (2010),<br />

dass es noch immer kein auch rudimentäres Bewusstsein zum deutschen Rassismus<br />

gibt, der sich u. a. ganz stark in der Verwendung des N-Wortes manifestiert.<br />

(Kelly 2010, 165)<br />

Die Sprecher in meiner Versuchsgruppe B scheinen dieses Bewusstsein dagegen<br />

sehr wohl zu haben, denn sie greifen mit ihren scherzhaften Verwendungsweisen<br />

deutschen Rassismus zitathaft auf. Die Gruppe besteht aus den<br />

langjährigen Freunden Shannon, Michelle, Kerstin, Boris, Juli und Torsten,

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