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Hassrede/ Hate Speech - Allgemeine Linguistik

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74 Karl Marker<br />

leisteten „democratic fundamentalism and legalistic blindness“ (ebd., 424) –<br />

eine deutliche Anspielung auf die als advocatus diaboli auftretende ACLU –<br />

dem Erfolg faschistischer Usurpationsbestrebungen geradezu Vorschub.<br />

Loewenstein zeigt dezidiert auf, wie einzelne Freiheitsrechte durch Faschisten<br />

gezielt missbraucht werden können und bereits missbraucht worden<br />

sind, und präsentiert zugleich einen ganzen Katalog von institutionellen Vorkehrungen,<br />

die verhindern können, dass Demokratien dem antidemokratisch<br />

motivierten Missbrauch der von ihnen gewährten Freiheiten hilflos ausgeliefert<br />

sind, und die dem Prinzip der wehrhaften Demokratie zur Durchsetzung<br />

verhelfen sollen (vgl. Loewenstein 1937b, 644-656, Walker 1994, 49 f.).<br />

Neben Maßnahmen wie dem Verbot von extremistischen Parteien und Vereinen<br />

sowie von Privatarmeen, strengen Auflagen im Versammlungsrecht,<br />

investigativen Personalkontrollen bei Militär und Beamtenschaft sowie der<br />

Schaffung spezieller Verfassungsschutzbehörden schlägt er ausdrücklich<br />

auch eine Beschränkung der Presse- und Meinungsfreiheit vor. 24 Loewenstein<br />

stellt zunächst fest, dass die meisten europäischen Demokratien bereits<br />

vorbildlich darauf reagiert hätten, dass Meinungsfreiheit paradoxerweise<br />

auch für die Abschaffung der Meinungsfreiheit instrumentalisiert werden<br />

kann, und deshalb unter anderem auch strafrechtliche Sanktionen gegen rassistische<br />

<strong>Hassrede</strong> verhängt haben:<br />

The ordinary criminal codes or the common law of most countries […] contain<br />

provisions dealing with incitement to violence or hatred against other<br />

sections of the population. In addition, it became necessary to alleviate political<br />

acrimony when it was directed against persons or classes of persons or institutions<br />

usually singled out for attack by fascism. Many states have provided<br />

remedies by forbidding incitement and agitation against and baiting of particular<br />

sections of the people because of their race, political attitude, or religious<br />

creed. (Loewenstein 1937b, 651)<br />

Loewensteins Argument zur Rechtfertigung solcher Zensurmaßnahmen lautet<br />

nun: Wehret den Anfängen! Obwohl er verbale Angriffe auf Symbole und<br />

Institutionen des demokratischen Staates wesentlich stärker betont als gegen<br />

24<br />

Dem naheliegenden Verdacht, dass Loewenstein mit diesen Forderungen auch<br />

zum (faktischen) Wegbereiter der berüchtigten Kommunistenverfolgung während<br />

der McCarthy-Ära wurde, kann hier nicht weiter nachgegangen werden. Fest<br />

steht lediglich, dass er „einigen Beamten im Justizministerium durch seine Veröffentlichungen<br />

zur streitbaren Demokratie aufgefallen“ war (Lang 2007, 216)<br />

und wohl deshalb „[v]on 1942 bis 1944 […] in der War Division im Department<br />

of Justice als Special Assistant to the Attorney General“ arbeitete (ebd., 220), in<br />

einem späteren Aufsatz jedoch die exzessiven Repressionsmaßnahmen gegen<br />

tatsächliche und vermeintliche Anhänger der kommunistischen Partei in den USA<br />

der frühen fünfziger Jahre scharf kritisierte (siehe Loewenstein 1952).

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