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Hassrede/ Hate Speech - Allgemeine Linguistik

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Zur Funktion von Hasszuschreibungen in Online-Diskussionen 139<br />

6.4 Ausblick: Hass-Kommunikation, Islamkritik und wissenschaftliche<br />

Analyse<br />

‚Hass‘-Lexeme spielen im Islam-Diskurs generell eine wichtige Rolle. Die<br />

Religion wird schon mit dem geläufigen Nominalkompositum ‚Hass-<br />

Prediger‘ für fundamentalistische muslimische Geistliche mit Hassgefühlen<br />

in Verbindung gebracht. Dieselbe Bezeichnung ist allerdings auch schon auf<br />

Islamkritiker wie Henryk M. Broder oder Necla Kelek angewendet worden<br />

(vgl. Steinfeld 2010). Hier zeigt sich bereits das Grundmuster wechselseitiger<br />

Hass-Zuschreibungen, die einen Teil des öffentlichen Diskurses bestimmen.<br />

Auf islamkritischen Websites ist die Bekundung von Hass jedoch keineswegs<br />

so hemmungslos offen, wie es die eingangs zitierten Medienberichte<br />

nahelegen. Hass scheint als ein Gefühl zu gelten, das so wenig gesellschaftsfähig<br />

ist, dass man sich zum einen davon distanziert und zum anderen stattdessen<br />

der Gegenseite dieses Gefühl zuschreibt. Zur persuasiven Strategie<br />

gehört es, gerade nicht den Eindruck zu erwecken, der eigene Standpunkt<br />

gründe in der Empfindung von Hass. Eigener Hass ist allenfalls als Reaktion<br />

auf fremden Hass akzeptabel.<br />

Damit entsteht mitunter ein Dreischritt aus Hass-Vorwurf, anschließender<br />

Hass-Leugnung auf der Gegenseite und einem Hass-Gegenvorwurf. Aus<br />

wissenschaftlicher Perspektive scheint es wenig sinnvoll, bei diesem Schlagabtausch<br />

mit wechselseitigen Hass-Vorwürfen mitzumischen, indem man<br />

ohne genaue Angabe von Kriterien Hass-Motive bei Kommunikatoren unterstellt.<br />

Das Ziel muss es sein, stabile Beurteilungsmaßstäbe für die Identifizierung<br />

von Hass-Äußerungen festzulegen, anhand derer eine Analyse möglich<br />

ist. Diese explorative Studie ist deshalb mit der denkbar einfachsten Methode<br />

ausschließlich der expliziten Verwendung von Hass-Lexemen nachgegangen.<br />

Schon hieraus ergibt sich ein differenziertes Bild der untersuchten Websites.<br />

Die Islamkritiker zeigen sich in ihren Kommentaren und Diskussionsbeiträgen<br />

nicht als homogene Masse, deren Kommunikation sich in wechselseitiger<br />

Bestätigung und Bestärkung eines gemeinsamen Standpunkts erschöpft.<br />

Vielmehr werden durchaus Kontroversen geführt und Positionen<br />

ausgehandelt. Es gibt weniger einen abstrakten, ideologischen Hass, auf den<br />

man sich geeinigt hätte, sondern es lassen sich allenfalls subjektive, empirisch<br />

begründete Hass-Bekundungen feststellen. Diese Subjektivität, die sich<br />

aus der Argumentation mit Selbsterlebtem ergibt, gilt dabei nicht als Mangel,<br />

sondern steigert den argumentativen Wert, vermutlich weil solche Verweise<br />

als authentisch – und nicht etwa durch massenmediale Vermittlung verzerrt –<br />

aufgefasst werden. Diese Aufwertung des subjektiven Erlebens passt insofern<br />

zur medienkritischen Grundausrichtung der Blogs und Foren, die sich<br />

als Gegenöffentlichkeit zu den Mainstream-Medien verstehen.

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