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Hassrede/ Hate Speech - Allgemeine Linguistik

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Diskursive Produktion von Behinderungen 217<br />

Verwendungen in negativen Redensarten“ zu verwenden. Ähnliche Prozesse<br />

lassen sich auch bei schwul beobachten.<br />

Dass die Normabweichung eines Menschen gesellschaftlich sanktioniert<br />

wird, erklärt, warum normabweichende Handlungen von Nichtbehinderten<br />

häufig mit der Beschimpfung mittels PGB aus dem Wortfeld Behinderung<br />

abgestraft werden (bspw. der nicht erfolgreiche Torschütze als Spasti, der<br />

begriffsstutzige Schüler als Mongo etc.). Die Normabweichung, die zur Beschimpfung<br />

geführt hat, wird potenziert durch die Bezeichnung als Behinderter<br />

und damit die soziale Wertlosigkeit des Beschimpften verdeutlicht.<br />

Die Abwertung behinderter Menschen wird durch diese Sprachverwendung<br />

reproduziert. Die ursprüngliche, wörtliche Referenz der PGB auf die Personengruppe<br />

der behinderten Menschen geht weder durch die Tabuisierung<br />

noch durch die metaphorische Verwendung in Bezug auf Nichtbehinderte<br />

verloren (anders als bspw. bei Vandale). Dabei ist zu berücksichtigen, dass<br />

„Ähnlichkeits- oder Analogiebeziehungen zwischen den Gegenständen<br />

manchmal erst über die Metapher selbst konstruiert werden“ (Skirl/Schwarz-<br />

Friesel 2007, 4). Es entsteht ein reziproker Effekt: Durch die stetige Verwendung<br />

als Schimpfwort und/oder Metapher laden sich die Bezeichnungen<br />

emotional-pejorativ auf. Die negative Konnotation der Metapher wird durch<br />

die ständige Rekurrenz der betonten Merkmale auf die ursprünglich bezeichnete<br />

Personengruppe selbst übertragen. Durch die ständige Betonung eines<br />

bestimmten stereotypen Wissenselementes prägt sie das Konzept der jeweiligen<br />

Behinderungsform. Die konventionalisierte Verwendung der PGB<br />

Mongo, Spasti und Krüppel als Schimpfwörter wird immer als abwertend<br />

und für die Menschen mit Behinderung diffamierend empfunden (vgl. Sties<br />

2009). Sie sind ein deutliches Beispiel dafür, wie Sprache zur Ausgrenzung<br />

von Personengruppen genutzt wird, bei jeder Anrede mit einem Schimpfwort<br />

aus dem Wortfeld Behinderung reproduziert sich die Herabsetzung und Ausgrenzung<br />

von behinderten Menschen.<br />

Die Existenz derartiger metaphorischer Schimpfwörter könnte ein Indikator<br />

dafür sein, dass sich die Einstellung einer Sprechermehrheit hinsichtlich<br />

einer bestimmten sozialen Kategorie trotz erfolgreicher Begriffssubstitution<br />

nicht geändert hat, es hat kein Wertewandel stattgefunden. Durch die unterschiedlichen<br />

Konzepte für die soziale Kategorie kommt es sozusagen zu zwei<br />

unterschiedlichen Wirklichkeitswahrnehmungen der Vertreter des politisch<br />

korrekten Begriffes und dem Rest der Sprechergemeinschaft. Dabei handelt<br />

es sich um ein geteiltes Meinungsklima. Es könnte sein, dass die Einflussnahme<br />

zwischen Denken und Sprechen in entgegengesetzter Richtung stattfindet,<br />

wie von den Befürwortern eines neuen sprachlichen Konzeptes erhofft<br />

wird. Die Gefühlswerte des Sprechers können feste Bestandteile der konnotativen<br />

Bedeutungskomponenten des neuen Zeichens werden (vgl. Germann

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